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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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die der Mörder behauptete umgebracht zu haben, Blau für die Anzahl der gefundenen Leichen und Rosa für die Anzahl von Morden, von denen die Behörden annahmen, der Mörder habe sie begangen. Auf den Rändern hatte der Mutt Notizen gemacht; er führte Buch und verglich die Zahlen wie ein Fan, der Statistiken für ein makabres sportliches Großereignis führt.
    Etwa auf halber Strecke des Buches hörten die Ausschnitte auf. Ich wollte es schon zuklappen, als ich feststellte, dass hinten im Album noch mehr Artikel waren. Nach mehreren leeren Seiten stieß ich auf einen weiteren Bericht. Im Gegensatz zu den anderen ging es hier nicht um Statistiken. Es wurde nicht einmal ein Mörder genannt. Der Artikel stammte aus der Chicago Tribune vom 18. November 1995 und berichtete nur, dass man die Leiche einer jungen Frau gefunden hatte. Im nächsten Artikel wurden Details genannt – dass sie über eine Woche lang vermisst gewesen war und in der Zwischenzeit offenbar irgendwo gefangen gehalten worden war, bevor man sie erwürgt und hinter einer Grundschule liegen gelassen hatte. Ich blätterte rasch die nächsten paar Seiten durch. Drei weitere Frauen waren gefunden worden, und jedes Mal waren die Umstände die gleichen. Dann war eine Frau entkommen und hatte eine entsetzliche Geschichte erzählt; sie war eine Woche lang im Keller eines verlassenen Hauses gefangen gehalten, misshandelt und vergewaltigt worden. Die Polizei hatte als Eigentümer des Hauses Thomas LeBlanc, einen dreiunddreißigjährigen medizinisch-technischen Assistenten, ermittelt. Als die Frau LeBlanc aber identifizieren sollte, konnte sie es nicht – der Mann war nur im Dunkeln zu ihr gekommen und hatte nie gesprochen. Zudem war LeBlanc in der Woche, in der die dritte Frau verschwunden war, gar nicht in der Stadt gewesen. Auf einem Zeitungsfoto hätte LeBlanc als Scott Brandons älterer Bruder durchgehen können, nicht weil er ihm tatsächlich ähnlich gesehen hätte, sondern aufgrund der absoluten Banalität seines Gesichts – gepflegt, auf nichts sagende Art gut aussehend und wenig einnehmend, das Abziehbild eines Wall-Street-Yuppies, ein Gesicht, dem alles Charakteristische abhanden gekommen war. Der Serienmörder von nebenan.
    Trotz umfangreicher Ermittlungsarbeiten hatte die Polizei nicht genügend Material für eine Anzeige gehabt. Dem letzten Tribune-Bericht zufolge hatte LeBlanc seine Koffer gepackt und Chicago verlassen. Das Rechtssystem war nicht in der Lage gewesen, LeBlanc schuldig zu sprechen, die Einwohner von Illinois aber durchaus. Es war der letzte Artikel aus Chicago, nicht aber der letzte Artikel in dem Album. Ich zählte sechs weitere Ausschnitte aus den letzten paar Jahren; sie zeichneten eine Spur vermisster Frauen durch den ganzen Mittelwesten bis nach Kalifornien und dann in einem Bogen zurück zur Ostküste nach. Thomas LeBlanc war weit herumgekommen. Der letzte Zeitungsausschnitt war acht Monate alt und stammte aus Boston.
    »Scheiße«, sagte Clay, und ich fuhr zusammen. »Ich glaub's nicht. Herrgott noch mal, ich glaub's einfach nicht. Lass das Buch liegen, Darling. Das musst du dir ansehen.«
    Ich stürzte ans Fenster. Clay hielt den schweren Vorhang gerade so weit offen, dass ich hinaussehen konnte. Ein Acura war auf einen freien Platz in der Nähe des Eingangs zum Foyer gefahren. Drei Männer waren gerade ausgestiegen. Als ich den Mann sah, der auf dem Fahrersitz gesessen hatte, war ich nicht weiter schockiert, das Gesicht zu erkennen, das mich aus dem Tribune-Artikel angestarrt hatte – Thomas LeBlanc, im wirklichen Leben nicht annähernd so gepflegt und gut frisiert wie auf dem Bild. Natürlich hatte Clay ihn weder erkannt, noch hatte er auf die Entfernung feststellen können, dass er ein Werwolf war. Es waren die beiden anderen Männer, die seine Aufmerksamkeit erregt hatten. Karl Marsten und Zachary Cain, zwei Mutts, die wir beide ausnehmend gut kannten.
    »Marsten und Cain? Was zum Teufel haben die miteinander zu schaffen?«, fragte Clay. »Und wer ist der andere Typ? Das muss er sein.«
    »Logans Mörder«, sagte ich. »Thomas LeBlanc. Wir müssen raus hier.«
    »Hey«, sagte Clay und rührte sich nicht von der Stelle, als ich ihn zur Tür ziehen wollte. »Wir bleiben. Deswegen sind wir hier, Darling.«
    »Wir sind hier, um einen Mutt zu töten. Einen unerfahrenen Mutt. Drei gegen zwei ist übel genug, aber –«
    »Damit werden wir fertig.«
    »Nachdem wir vierundzwanzig Stunden lang weder geschlafen noch gegessen

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