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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Geschäft, dann seine Nachbarn und deren Nachbarn, bis der ganze Häuserblock aussah wie eine einzige gigantische Werbefläche einer Immobilienvermittlung. Als wir wieder im Stadtzentrum ankamen, war es nach sieben, und selbst die engagiertesten Regalauffüller waren nach Hause gegangen. Die Straßen waren wie leer gefegt. Die ganze Stadt schien fürs kollektive Abendessen dichtgemacht zu haben. Ich musste beim Schnuppern weniger vorsichtig sein, und für die nächste halbe Meile brauchten wir nur zwanzig Minuten. Die Spur brach bei einem Burger King ab, der von seinen Fast Food-Kollegen auf der anderen Seite der Stadt offenbar ausgestoßen worden war; hier hatte der Mutt vermutlich Brennstoff an Bord genommen. Nach weiteren zwanzig Minuten des Kreisens und Umkehrens fand ich die Fährte wieder. Zehn Minuten später standen wir auf dem Parkplatz der Big Bear Motor Lodge.
    »Das war irgendwie überflüssig«, murmelte ich, während wir uns zwischen den Pick-ups und zehn Jahre alten Limousinen umsahen. »Zwei Hotels in der Stadt. In einem davon wohnt er. Hurra.«
    »Hey, du warst es, die darauf bestanden hat, dass wir bei dem Lebensmittelladen anfangen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass du irgendwas anderes vorgeschlagen hättest.«
    »Man nennt es Selbsterhaltungstrieb, Darling. Ich weiß schon, wann ich besser den Mund halte.«
    »Seit wann hast –« Ich unterbrach mich, als ich eine Frau bemerkte, die in der Tür ihres Zimmers stand und sich keinerlei Mühe gab, das Zuhören unauffällig zu gestalten. Es ist angenehm zu wissen, dass man die Leute unterhalten kann, wenn die Nachmittagsserien vorbei sind.
    Ich schob mich hinter einen Pick-up und sah an dem zweistöckigen Gebäude hinauf. »Wie viele Zimmer deiner Ansicht nach?«
    »Achtunddreißig«, antwortete Clay prompt. »Neunzehn auf jedem Stockwerk. Direkter Zugang im Erdgeschoss, Foyer und Notausgang für die Zimmer oben.«
    »Ich an seiner Stelle hätte ein Zimmer unten genommen«, sagte ich. »Direkter Zugang. Er kann jederzeit ungehindert kommen und gehen.«
    »Aber die Zimmer im ersten Stock haben Balkone, Darling. Und einen phantastischen Blick.«
    Ich sah zu dem unbebauten Grundstück jenseits der Straße hinüber. Wucherndes Unkraut, bröckelnde Betontrümmer und genug Abfall, um einen Pfadfindertrupp eine Woche lang zu beschäftigen.
    »Erdgeschoss«, sagte ich. »Ich fange an. Geh und versteck dich irgendwo.«
    »Oha. Das Spiel haben wir doch schon ein paar Mal gespielt. Ich verstecke mich, aber du kommst nie suchen. Ich bin vielleicht ein bisschen begriffsstutzig, aber allmählich komme ich dahinter.«
    »Geh schon.«
    Clay grinste, fasste mich um die Taille und küsste mich; dann wich er zur Seite aus, bevor ich reagieren konnte. Es war angenehm zu sehen, dass seine Laune sich gebessert hatte; noch angenehmer wäre es gewesen, wenn dazu nicht gerade die Aussicht auf Mord und Totschlag nötig gewesen wäre. Während der stundenlangen Spurensuche war der alte Groll, der im Café aufgeflammt war, wieder im Unterbewusstsein versunken; dort würde er warten wie eine nie wirklich verheilte Wunde, die nur einen Stoß oder Schubs brauchte, um jäh wieder zu schmerzen. Wir hatten etwas zu erledigen, und ich musste mit Clay auskommen, um es zu Ende zu bringen. Um Logans willen konnte ich mir nicht erlauben, mich durch meine eigenen Probleme ablenken zu lassen. Wenn ich mich jede Sekunde, die ich gezwungenermaßen in Clays Gesellschaft verbrachte, mit meinem Ärger auf ihn beschäftigt hätte, wäre ich längst zu einer bitteren, bissigen Furie geworden. Es mochte durchaus Leute geben, die der Ansicht waren, ich sei seit Jahren nichts anderes gewesen – aber das gehört hier nicht zur Sache.
    Während Clay verschwand, um sich einen passenden Ort zum Warten zu suchen, sah ich mich auf dem Parkplatz nach Requisiten um. Neben einem rostigen Chevy Impala entdeckte ich ein Blatt Papier. Es war die Quittung für eine neue Stereoanlage, von der ich nur hoffen konnte, dass sie nicht gerade in den Impala eingebaut worden war – sonst hätte der Besitzer für die Anlage mehr bezahlt als für das ganze Auto. Ich wischte ein nasses Blatt von einer Ecke des Papiers, strich es glatt, faltete es in der Mitte und ging zu der gemeinsamen Veranda hinüber, die die Eingangstüren der Zimmer im Erdgeschoss miteinander verband. Ich begann am Notausgang und ging langsam die Türen ab, gab vor, das Papier zu studieren, und erlaubte mir vor jeder Tür eine großzügig

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