Die Nacht des einsamen Träumers.
Flasche war.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Er wollte immer eine kleine Flasche, eine zu zehn Kilo. Er war ja allein, die reichte ihm fast drei Monate. Vor zwei Tagen ist er vorbeigekommen und hat zu mir gesagt: ›Denk dran, du musst mir am Dreizehnten eine neue Flasche bringen, die alte ist bald leer.‹ Er war immer pünktlich. Heute ist der Elfte.«
»Sie glauben also nicht, dass genug Gas darin war, um ihn zu töten?«
»Wissen Sie, bei so was kann man nie sicher sein. Vielleicht ist er einfach so gestorben und nicht mehr dazu gekommen, das Gas abzudrehen.« Klug, der junge Mann. »Und der Hund?«, fragte er besorgt.
»Dem Hund geht's gut.«
»Sehen Sie? Wenn es das Gas gewesen wäre, wäre er auch gestorben.«
Montalbano bedankte sich, setzte sich wieder ins Auto und fuhr los. Als er nachmittags ins Büro ging, kam Galluzzo besorgt auf ihn zu.
»Der Hund will nicht fressen.«
Montalbano folgte ihm ins Zimmer seiner Beamten. Gallo und Catarella standen um das Tier herum, das todunglücklich war und den Schwanz eingezogen hatte. Riri hatte sicher begriffen, dass sein Herrchen tot war, und trauerte. Galluzzo hatte außer der Krücke und dem Stock aus Piccolominis Haus auch den Wasser- und den Fressnapf mitgenommen, den der Hund hin und wieder mit sichtbarem Abscheu anblickte. Montalbano streichelte ihn. »Dottore, vielleicht kriegt er wieder Appetit, wenn ich mit ihm spazieren gehe«, schlug Catarella vor, dem ganz elend war.
»Was ist denn mit diesen Idioten von dem Wohltätigkeitsverein?«, platzte der Commissario heraus. »Sie haben gesagt, sie würden vorbeikommen«, sagte Galluzzo.
»Dann warten wir eben. Bis dahin wird der Hund schon nicht verhungern.«
Nachdem er eine halbe Stunde lang Papiere unterschrieben hatte, was er immer grässlich fand, klingelte das Telefon. »Dottore, da wär der Ingignieri Stefano, der will Sie persönlich selber sprechen.«
»In Ordnung, er kann reinkommen.« Ingegnere Angelo Di Stefano war ein dicklicher, leutseliger Mann um die fünfzig.
»Wie schrecklich! Wie schrecklich!«, sagte er.
»Kannten Sie ihn gut?«
»Natürlich, Commissario! Wissen Sie, wir sorgen nicht nur dafür, die körperlichen, sondern auch die seelischen Beschwerden unserer Schützlinge zu lindern. Darum kümmere ich mich persönlich, ich besuche sie mindestens einmal im Monat, wo auch immer sie sich befinden.« Er hielt inne und setzte eine Miene auf, auf die sich Montalbano nicht gleich einen Reim machen konnte. Dann begriff er, dass der Mann ein Wort des Lobes erwartete. Das dem Commissario jedoch nicht über die Lippen kam. Er hob eine Hand und legte sie dem Ingegnere auf die Schulter. »Nein, nein«, sagte Di Stefano. »Wertvoll ist die stille Barmherzigkeit, wenn nur wenige davon wissen. Und ich strebe nicht nach Anerkennung.«
Und die ganzen Journalisten, die du um dich versammelst, was ist mit denen?, wollte der Commissario schon fragen, ließ es aber bleiben.
»Die Angehörigen müssen benachrichtigt werden.«
»Ich habe mich gleich heute Morgen darum gekümmert, als ich die schlimme Nachricht von dem Unfall hörte... Es war doch ein Unfall, oder?«
»Ja. Er hat vergessen, das Gas abzudrehen.«
»Dabei war er ein so ordentlicher, gewissenhafter Mann! Was für einen Blinden übrigens unerlässlich ist. Nun, heute Morgen habe ich mich beeilt, den Bruder in Pordenone und die Schwester auf Lampedusa zu verständigen. Selbstverständlich werden wir uns um die Bestattung kümmern, sobald das möglich ist. Ich danke Ihnen für alles, Commissario.«
Der Commissario sagte, wer weiß warum: »Ich begleite Sie hinaus.« Vor dem Kommissariat parkte eine blaue Limousine. Riri saß mit gesenktem Kopf auf der Rückbank. Ein untersetzter Vierzigjähriger öffnete, ebenfalls mit gesenktem Kopf, den Wagenschlag.
»Das ist unser unbezahlbares Faktotum«, sagte der Ingegnere, »Chauffeur, Krankenträger, Hundetrainer.« Sie verabschiedeten sich herzlich voneinander. Der Commissario ging nachdenklich in sein Zimmer zurück. Er hatte etwas gehört oder gesehen, was ihn einen Augenblick lang irritiert hatte. Aber er vermochte es nicht in ein konkretes Wort, ein eindeutiges Bild umzusetzen. Widerwillig machte er sich wieder ans Unterschreiben.
Tags darauf rief Dottor Pasquano an. Anstatt Montalbano die Ergebnisse der Obduktion mitzuteilen, stellte er ihm eine Frage.
»Wieso ist der Hund nicht tot?«
»Ich weiß es
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