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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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handelte. Ein Nichts, eine Belanglosigkeit. »Das nennt man Fliegen den Hintern sezieren.« So hatte ihn vor Jahren ein Mailänder Questore getadelt: »Sie, lieber Montalbano, haben die Untugend, Spatzen den Hintern zu sezieren.« Ach ja, stimmt: Es war der Hintern der Spatzen, nicht der Fliegen. Fast von einem Moment zum anderen schlief er ein, bei eingeschaltetem Licht, das Buch in den Händen. Das Klopfen des Stewards an der Tür weckte ihn: »In einer halben Stunde sind wir da.« Er sah auf die Uhr: sieben. Zu früh, um in die Via Cordova 12 zu gehen, wo Signora Gnazia wohnte. Er fasste einen schnellen Entschluss und zog die Badehose an, die er in seinem Köfferchen hatte. Er stieg an Deck, und sogleich umfing ihn ein heller, klarer, milder Morgen. Sodass er sogar einen jungen Deutschen, einen Riesen mit Rucksack, freundlich anblickte, der ihm bös auf den Fuß getreten war und sich nicht mal entschuldigt hatte. Zwei Matrosen hatten die Gangway zum Aussteigen fast fertig eingehängt. Montalbano hörte von innen die spitzen Schreie einer Frau und ging wieder hinein: Eine schmuckbehängte, etwa fünfzigjährige Frau hatte einen Streit mit dem Zahlmeister angefangen, anscheinend hatte ihr ein Steward eine ruppige Antwort gegeben. Als sie fertig war, trat Montalbano zu dem Zahlmeister.
    »Ich möchte Sie um eine Auskunft bitten.«

      »Wenn es um den Fahrplan geht, wenden Sie sich an unser Büro an Land.«
      »Es geht nicht um den Fahrplan. Ich wollte wissen, ob Sie eine Person kennen, die...«
      »Ich habe jetzt gerade keine Zeit. Warten Sie, bis alle Passagiere ausgestiegen sind. Wir machen Folgendes: Kommen Sie um neun Uhr ins Büro der Schifffahrtsgesellschaft, direkt gegenüber der Anlegestelle.«

      Jetzt hatte er sich selbst um seinen geplanten Badeausflug gebracht. Sei's drum. Er stieg aus, entdeckte eine Bar, setzte sich an einen Tisch im Freien und bestellte eine granita di caffe und eine brioscia . Zum Zeitvertreib beobachtete er die Leute; er bestellte noch eine granita und eine brioscia . Und als es so weit war, ging er zu dem Zahlmeister. »Sie wünschen? Ich habe wenig Zeit.«

      »Ich bin Commissario Montalbano.« Der andere schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Sie kamen mir gleich so bekannt vor! Verzeihen Sie wegen vorhin. Wissen Sie, manche Passagiere... Was kann ich für Sie tun?«
      »Ich wollte etwas über einen Ihrer Passagiere wissen, der jede Woche am Freitagabend an Bord kam... ein Blinder.«
      »Signor Piccolomini!«, unterbrach ihn der Zahlmeister, »natürlich kannte ich ihn. Er starb bei einem Unfall, nicht wahr?«
    Der Ton der Frage: Dieser hier war normal, nicht wie der, in dem Ingegnere Di Stefano unbewusst gefragt hatte. »Ja. Gas. Haben Sie mal mit ihm gesprochen?«
      »Mit Piccolomini? Ein Wasserfall, wenn er einen Gruß erwiderte. Aber wissen Sie, wir hatten vor Jahren einmal eine Auseinandersetzung, ich glaube, es war damals seine erste Fahrt. Danach gab es keine Probleme mehr.«
    »Und warum damals?«

      »Wegen dem Hund. Er wollte ihn bei sich haben, das ging aber nicht.«
    »Hatte er eine Kabine?«

      »Er nahm nie eine Kabine, das wäre ihm zu teuer gewesen. Er buchte immer einen Sessel an Deck. Der Hund wurde im Hundezwinger untergebracht, den es an Bord extra gibt.«
      »Ist nie etwas Merkwürdiges, Ungewöhnliches während der Fahrt vorgefallen, wenn Piccolomini an Bord war?«

      »Was hätte da vorfallen sollen? Sagen Sie, Commissario, wenn Piccolomini bei einen Unfall gestorben ist, warum stellen Sie mir dann solche Fragen?« Die Lüge blieb Montalbano erspart: In diesem Augenblick kam ein Matrose vorbei, und der Zahlmeister rief ihn zu sich:

    »Matteo!«
      Während der Matrose näher kam, sagte er: »Er heißt Matteo Salamone. Er kümmerte sich um Piccolomini.«
      Matteo Salamone war ein magerer Vierzigjähriger mit lebhaften Augen. Der Zahlmeister erklärte ihm, was Montalbano wollte, und entfernte sich, er habe Verschiedenes zu erledigen, sagte er.

    »Was soll ich Ihnen sagen, Commissario? Ich half ihm beim Ein- und Aussteigen, die Gangway kann gefährlich sein für einen Blinden, der auch noch einbeinig ist. Ich begleitete ihn zu seinem Sessel, brachte den Hund in den Hundezwinger und machte das bei der Ankunft alles noch mal, nur umgekehrt. Er gab mir ein paar Lire, aber ich habe es eher getan, weil er mir Leid tat, der arme Kerl.«
    »Ist jemals etwas Besonderes vorgefallen, etwas, das...«
      »Nichts, nie. Ach

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