Die Nacht des einsamen Träumers.
dort.«
»Es ist die Nummer 35 in der Via Giovanni Verga und hat keine Hintertür. Richtig? Hinter dem Haus führt der Vicolo Capuana vorbei, der sehr schmal ist. Weißt du, wie die Straße eins weiter heißt, parallel zur Via Verga und zum Vicolo Capuana?«
»Sissi. Das ist auch so eine schmale Gasse. Sie heißt De
Roberto.«
Wie auch sonst.
»Folgendes: Sobald du Zeit hast, gehst du den ganzen Vicolo De Roberto entlang. Und bringst mir eine genaue Liste aller Haustüren.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Fazio.
»Du sagst mir, wer in der Nummer eins wohnt, wer in der Nummer zwei und so weiter. Aber versuch, nicht zu sehr aufzufallen, geh die Gasse nicht rauf und runter. Du bist in so was sehr gut.«
»Warum? In anderen Sachen nicht?«
Als Fazio gegangen war, rief Montalbano Augello zu sich. »Weißt du was, Mimi? Gestern Abend habe ich deine Freundin Giulia Tarantino besucht.«
»Hat sie dich auch gelinkt?«
»Nein«, sagte Montalbano entschieden. »Mich nicht.«
»Kannst du dir erklären, wie ihr Mann in das Haus reinkommt? Es gibt keinen anderen Eingang als die Haustür. Die Leute von der Zielfahndung haben sich da schon die Nächte um die Ohren geschlagen. Gesehen haben sie ihn nie. Aber ich verwette meinen Arsch darauf, dass er sie ab und zu besucht.«
»Das denke ich auch. Aber jetzt sag mir alles, was du über ihren Mann weißt. Nicht die Betrügereien, die ungedeckten Schecks, die sind mir scheißegal. Ich will wissen, was er für Manien hat, was für Marotten, Gewohnheiten, wie er sich benahm, als er noch in der Stadt war.«
»Vor allem ist er wahnsinnig eifersüchtig. Ich bin sicher, wenn ich das Haus durchsuche, leidet er wie ein Hund, weil er sich einbildet, dass seine Frau die Gelegenheit ausnutzt und ihn betrügt. Und dann ist er gewalttätig, obwohl er nicht so aussieht, und Inter-Fan, und am Sonntagabend, oder wann seine Mannschaft auch spielte, hat er immer einen Streit vom Zaun gebrochen. Und drittens ist er...« Noch eine Weile beschrieb er den kompletten Lebenslauf von Giovanni Tarantino, den er mittlerweile besser kannte als sich selbst.
Dann wollte Montalbano haargenau wissen, wie Tarantinos Haus durchsucht worden war.
»Wie üblich«, sagte Mimi. »Ich und die Leute von der Zielfahndung haben, da wir auf der Suche nach einem Mann waren, überall nachgesehen, wo ein Mann sich verstecken kann: auf dem Dachboden, in dem Winkel unter der Treppe und so weiter. Wir haben sogar die Fußböden nach einer Luke abgesucht. Wenn man an die Wände klopft, klingt es nicht hohl.«
»Habt ihr mal in den Spiegel geschaut?«
»Der Spiegel ist doch mit Schrauben an der Wand befestigt!«
»Ich habe nicht gefragt, ob ihr hinter den Spiegel, sondern ob ihr in den Spiegel geschaut habt. Das macht man so: Man öffnet die Haustür und sieht, wie sie sich spiegelt.«
»Spinnst du jetzt?«
»Oder man macht es wie Alice: Man stellt sich vor, das Glas sei eine Art Schleier.«
»Im Ernst, Salvo, ist alles in Ordnung? Wer ist diese Alice?«
»Hast du nie Carroll gelesen?«
»Wer ist denn das?«
»Vergiss es, Mimi. Hör zu: Morgen früh gehst du unter irgendeinem Vorwand zu Signora Tarantino. Du musst dich ins Wohnzimmer führen lassen und mir dann sagen, ob sie etwas Bestimmtes tut.«
»Was denn?« Montalbano sagte es ihm.
Nach Fazios Bericht am Mittwoch gab ihm der Commissario bis zum folgenden Tag Zeit, weitere Details über die Häuser im Vicolo De Roberto zu sammeln. Bevor Montalbano am Donnerstagabend Signora Tarantino aufsuchte, ging er in die Apotheke Bevilacqua, die Dienst hatte. Eine schlimme Grippe ging um, und die Apotheke war voller Leute, Frauen und Männer.
Eine der beiden Verkäuferinnen wurde auf den Commissario aufmerksam und fragte laut: »Sie wünschen, Dottore?«
»Nachher, nachher«, sagte Montalbano. Als der Apotheker Bevilacqua die Stimme des Commissario hörte, hob er den Blick, sah ihn an und merkte, dass Montalbano verlegen war. Als er seinen Kunden fertig bedient hatte, ging er zu einem Regal, nahm ein Schächtelchen heraus, kam hinter dem Ladentisch hervor und drückte es ihm mit Verschwörermiene in die Hand.
»Was ist das?«, fragte Montalbano verwirrt.
»Präservative«, flüsterte der andere. »Die wollten Sie doch, oder?«
»Nein«, sagte Montalbano und gab ihm das Schächtelchen zurück. »Ich brauchte die Pille.«
Der Apotheker blickte um sich, und seine Stimme wurde zu einem
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