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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Hauch. »Viagra?«
      »Nein«, sagte Montalbano, schon etwas genervt. »Die für Frauen. Die gebräuchlichste.«
      Auf der Straße öffnete er das Päckchen, das ihm der Apotheker gegeben hatte, und warf die Antibabypillen in eine Mülltonne, nur den Beipackzettel behielt er.
      Abgesehen davon, dass die Signora nicht gerade aus der Dusche kam, spielte sich alles ganz genau so ab wie vergangenen Sonntag. Der Commissario nahm auf dem Sofa, die Signora im Sessel Platz, der Hörer wurde von der Gabel genommen.
    »Was gibt es diesmal?«, fragte die Frau leicht resigniert. »Vor allem wollte ich Ihnen mitteilen, dass ich meinem Stellvertreter den Fall Ihres Mannes entzogen habe, Dottor Augello, der vorgestern Morgen zum letzten Mal bei Ihnen war und den Sie sehr gut kennen.«
      Er hatte das »sehr« betont, und die Signora war erstaunt. »Ich verstehe nicht...«
      »Wissen Sie, wenn die Beziehung zwischen Ermittler und beteiligter Zeugin, wie in Ihrem Fall, ein bisschen zu eng wird, dann ist es besser... Jedenfalls kümmere ich mich ab heute persönlich um Ihren Mann.«

    »Für mich...«
      »...kommt das auf dasselbe heraus? Oh nein, meine Liebe, da irren Sie gewaltig. Ich bin besser, viel besser.« Es war ihm gelungen, dem letzten Teil des Satzes einen widerlich zweideutigen Unterton zu verleihen. Er wusste nicht, ob er sich beglückwünschen oder ins Gesicht spucken sollte.
      Giulia Tarantino war etwas blass geworden. »Commissario, ich...«
      »Jetzt lass mich reden, Giulia. Letzten Sonntag, als wir erst ins Schlafzimmer hier darunter und dann ins Bad gingen...« Die Signora wurde noch blasser und hob eine Hand, als wollte sie den Commissario davon abhalten, weiterzusprechen, doch Montalbano fuhr fort.
      »...habe ich auf dem Boden diesen Zettel gefunden. Da steht Securigen, Tabletten zur Empfängnisverhütung. Nun, wenn du deinen Mann seit zwei Jahren nicht gesehen hast, wozu brauchst du die dann? Ich kann Vermutungen anstellen. Mein Stellvertreter...«
    »Um Gottes willen!«, schrie Giulia Tarantino. Und tat, worauf der Commissario gehofft hatte: Sie nahm den Hörer und legte ihn auf die Gabel. »Wissen Sie«, sagte der Commissario, zum Sie zurückkehrend, »mir war schon letztes Mal klar, dass dieses Telefon nicht echt ist. Aber das auf Ihrem Nachtkästchen ist echt. Dieses hier dient nur dazu, dass Ihr Mann alles hören kann, was hier im Zimmer gesprochen wird. Ich habe ein sehr feines Gehör: Wenn Sie den Hörer abnehmen, müsste man das Freizeichen hören. Doch Ihr Telefon bleibt stumm.«
      Die Frau sagte nichts, sie sah aus, als würde sie im nächsten Augenblick in Ohnmacht fallen, aber sie nahm sich mit aller Kraft zusammen und war sehr angespannt, als befürchtete sie etwas Unvorhergesehenes.
      »Ich habe auch herausgefunden«, fuhr der Commissario fort, »dass Ihr Mann eine kleine Garage im Vicolo De Roberto besitzt, weniger als zehn Meter Luftlinie von hier. Er hat einen Gang gegraben, der höchstwahrscheinlich hinter dem Wandspiegel endet. Wo diejenigen, die ein Haus durchsuchen, nie nachschauen: Sie denken, hinter einem Spiegel ist nie etwas.«

      Als Giulia Tarantino begriff, dass sie verloren hatte, setzte sie wieder ein Gesicht auf, als ginge sie das alles nichts an. Sie sah dem Commissario fest in die Augen.
      »Eines würde ich gern wissen: Schämen Sie sich nie für das, was Sie tun und wie Sie es tun?«

      »Doch, manchmal«, gab Montalbano zu. In diesem Augenblick hörte man unten den Lärm von zersplitterndem Glas und eine wütende Stimme: »Wo bist du, du dreckige Hure?« Dann rannte Giovanni Tarantino die Treppe hinauf.
    »Da kommt er, der Idiot«, sagte seine Frau resigniert.

Die Prüfung

    Als Montalbano den Mann, der den Strand entlangging, zum ersten Mal sah, war es früher Morgen, aber der Tag lud wirklich nicht zu einem Spaziergang am Ufer ein, am besten verkroch man sich wieder ins Bett, zog sich die Decke über den Kopf, schloss die Augen und verabschiedete sich. Es wehte nämlich ein eiskalter, grimmiger Nordwind, der Sand drang in Augen und Mund, die hohen Wellen bauten sich am Horizont auf, duckten sich, flach werdend, hinter die Wogen vor ihnen, stiegen kurz vor dem Ufer wieder steil auf und stürzten sich gierig auf den Strand, um ihn zu verschlingen. Das Meer hatte es nach und nach geschafft, fast die hölzerne Veranda von Montalbanos Haus zu berühren. Der Mann war ganz in Schwarz gekleidet, mit einer Hand hielt er den Hut auf den Kopf

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