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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Vortragssaal weder seine Anwesenheit bemerkbar gemacht noch seine Meinung zu Gehör gebracht hatte.
    »Ich würde sagen, mein Favorit unter den Anregungen war die, lebendige Kröten unter sämtlichen Reben zu vergraben«, scherzte nun einer aus der Gruppe.
    »Und was ist mit der Idee, Venusfliegenfallen herbeizuschaffen, auf dass sie die Läuse verschlingen?«, kicherte ein anderer.
    »Oh nein! Meine Herren, haben Sie denn die beste von allen vergessen? Dass junge Chorknaben in die Weinberge gehen und auf unsere Reben urinieren?«
    Alle bis auf Raine und den Bischof brachen in schallendes Gelächter aus.
    »Dieser Vorschlag ist meiner, den ich vor einem Monat an die Franzosen sandte«, plusterte der Bischof sich auf. »Ich bin der festen Überzeugung, dass die Säure im Urin eine abschreckende Wirkung auf die Rebläuse hat.«
    »Von dem Gestank ganz zu schweigen«, murmelte einer der Herren.
    »Die Idee entbehrt jeglicher Logik«, entgegnete Raine, »was übrigens auf alle heute vorgetragenen Vorschläge zutrifft.«
    »Und habt Ihr einen besseren?«, wollte der Bischof wissen.
    Raine bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Kreuzung, wie ich bereits in der Vorlesung darstellte.«
    »Habt Ihr es nicht gehört?«, fragte einer der Männer. »Das war eine brillante Empfehlung. Mich jedenfalls überzeugte, dass die Züchtung von
vitis vinifera
mit resistenten Sorten der richtige Weg ist.«
    »Ich bitte um Verzeihung«, entschuldigte der Bischof sich. »Ich musste mich während des Vortrags bisweilen zurückziehen. Eine vorübergehende Unpässlichkeit. Würde mir einer der Herren gütigerweise eine kurze Zusammenfassung geben?«
    »Satyrs These lautet, dass einzig die Züchtung einer resistenten Rebe helfen kann«, erklärte einer der Herren ihm.
    »Aha?« Der Bischof zog die Brauen hoch, als verstünde er nicht recht.
    »Meine Experimente mit der Überkreuzbestäubung von Blüten unterschiedlicher Sorten derselben Gattung ergaben einen widerstandsfähigeren Wein«, führte Raine aus. »Allerdings ist der Geschmack der Traube noch nicht zufriedenstellend.« Für seine Verhältnisse stellte dies schon eine ungewöhnlich wortreiche, geradezu langatmige Erklärung dar.
    »Nun, es muss etwas unternommen werden«, konstatierte jemand anders. »Zwei Drittel der europäischen Weine sind bereits ruiniert. Man stelle sich das einmal bildlich vor! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns die Plage erreicht. Mithin sind wir alle einer ernsten Bedrohung ausgesetzt, solange kein Gegenmittel gefunden wird.«
    »Das Satyr-Weingut blieb bislang gänzlich verschont«, merkte der Bischof an.
    Alle verstummten. Raine wusste sehr wohl, welche Richtung die Gedanken der anderen nun einschlugen. Jeder kannte die Gerüchte, an deren Verbreitung seine frühere Ehefrau wesentlich mitgewirkt hatte. Ihnen zufolge betrieben seine Brüder und er eine Art Magie, die ihr Land und sie vor Unbill schützte. Zugegeben, sie entsprachen der Wahrheit.
    Zum Glück hatte seine Gattin nicht allzu viele überzeugen können. Und selten ging jemand so weit, die Angelegenheit in seiner Gegenwart anzusprechen. Seine Brüder und er waren wohlhabend und mächtig, also tat man gut daran, sich ihre Gunst nicht zu verscherzen.
    »Wir hatten einen Befall«, gestand Raine, worauf alle ihn ansahen.
    »Und?«, hakte jemand nach.
    »Die befallenen Pflanzen wurden ausgegraben und der gesamte Bereich abgebrannt.«
    Das wiederum entsprach nur teils der Wahrheit. Das Satyr-Weingut war einem Befall knapp entgangen. Eine Verwandte von Nicks Halbfeengemahlin Jane hatte absichtlich die Plage auf das Gut eingeschleppt. Aber sie war es auch gewesen, die mithalf, die Läuse zu vernichten, bevor sie die Reben zerstörten. Und sie alle.
    Denn die Reben waren nicht bloß ein Zeitvertreib oder ein Broterwerb für die Brüder. Der Rebensaft war mit dem Blut verbunden, das in den Satyr-Adern floss. Einzig gesunde Weinstöcke sicherten das Erbe für die Kinder seiner Brüder. Sie allein gestatteten seinen Brüdern und ihm, weiterzuleben. Und sie sicherten überdies das geheime Portal zwischen der Anderwelt und der Erdenwelt, das auf dem Satyr-Land verborgen war.
    Nun schwang der Bischof sich zu einer Proklamation auf: »Vielleicht wurde die Plage vom Himmel geschickt, als Strafe für die sündhafte Genusssucht des Menschen. Ich würde außerdem vorschlagen, dass Prozessionen frommer Gläubiger durch die Weinberge ziehen und das Weihrauchgefäß schwenken. Haben die Franzosen daran

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