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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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gedacht?«
    »Männer der Wissenschaft dürften einen solchen Unsinn umgehend verwerfen«, wies Raine diesen Vorschlag ab, dem gleich war, ob er den Bischof brüskierte. »Auch eine Belohnung zu offerieren ist wenig hilfreich. Lieber sollten die Franzosen ihr Preisgeld darauf verwenden, das Elend zu lindern, in das Napoleon die Menschen von Venedig stürzte. Armut ist in dieser Stadt ebenso bedrohlich und allgegenwärtig wie die Phylloxera andernorts.«
    Dabei wies er auf die Bettler und Prostituierten, die in Lumpen im Schatten einer Seitengasse herumlungerten. Die Elenden missverstanden seine Geste als Aufforderung und kamen auf die Gruppe zugeschlurft. Der Bischof, der ihnen am nächsten war, fühlte sich besonders in Bedrängnis.
    »Hinfort mit euch, ihr Pestilenz!«, schrie er sie an und schlug sie weg. Zwei Wachtmeister kamen zufällig vorbei, mischten sich ins Gemenge und prügelten jene in die Flucht, deren einziges Verbrechen darin bestand, dass sie der Armut anheimgefallen waren.
    Im allgemeinen Durcheinander distanzierte Raine sich von der Gruppe. Die anderen Herren hatten erwähnt, dass sie noch zu einem wohlhabenden Bekannten in der Nähe gehen wollten, der einen vornehmen Salon unterhielt, in dem an diesem Abend noch »Conversazioni« stattfänden. Für derlei leeres Geplauder fehlte Raine die Geduld, und erst recht war er nicht begabt, hübsche Konversation zu pflegen.
    Bevor er Venedig für heute Nacht hinter sich ließ, musste er sich noch um eine letzte Angelegenheit kümmern. Sex. Schnell. Leicht. Und vorzugsweise menschlich.
    Als der Bischof sich von dem Aufruhr abwandte, stellte er fest, dass die Gruppe der Winzer sich entfernt hatte. Erschrocken blickte er sich nach Raine um.
    Leider entdeckte er nur einen der anderen Herren, dem er nacheilte, bis er ihn eingeholt hatte. »Wohin ist Signore Satyr entschwunden?«
    »Ich würde meinen, er ist am Canalazzo entlanggegangen, um sich Gesellschaft für den Abend zu suchen. Die anderen unserer Gruppe liefen ebenfalls dorthin. Ich für meinen Teil begebe mich heim zu meiner Gemahlin. Buona sera.«
    Der Bischof hörte seinen Gutenachtwunsch nicht mehr, denn er lief bereits die Riva del Vin hinunter – auf der Suche nach seiner großen hübschen Belohnung.
     
    Raine schritt die Riva del Vin entlang. Die Promenade wurde aus den Fundamenten der Gebäude geformt, welche das Nordostufer des Canale Grande säumten. Die Weinladung, die er vorher gesehen hatte, war vollständig gelöscht und weggekarrt, um an Restaurants, Hotels und private Käufer in Venedig und Umgebung verkauft zu werden.
    Vor ihm lag die Rialto-Brücke, die den Kanal überspannte. Auf der anderen Seite von ihr befanden sich die Riva del Ferra und die Riva del Carbon, wo tagsüber die Eisen- und Kohleladungen anlandeten. Dort erwartete ihn bereits seine Gondel.
    Aber er gab den Gondolieren kein Zeichen. Er hatte sie bis zum Morgen angeheuert; also würden sie warten.
    Leise Sirenenstimmen drangen von oben zu ihm. Die Kurtisanen auf ihren überdachten Balkonen stellten ihre Waren selbst bei diesem Wetter zur Schau. Als sie ihn erblickten, beugten sie sich weit über die schnörkeligen Eisenbrüstungen, mit bemalten Fächern wedelnd und in herausfordernder Pose.
    Bedauerlicherweise war seine Selbstbeherrschung gefährlich fragil, so dass er nicht wagte, eine von ihnen zu nehmen. Das Blut seiner Vorfahren kochte heute Abend in seinen Adern, und er war nicht in Stimmung, sich zurückzuhalten.
    Wegen der Hermaphrodite. Sie war es, die in ihm das plötzliche Verlangen geweckt hatte, die Wärme menschlicher weiblicher Haut an seiner zu spüren. Ihr Anblick hatte eine Lüsternheit in ihm wiederbelebt, die er gewöhnlich sehr gut unterdrücken konnte. Doch seit er sie gesehen hatte, war sein Glied hart und verlangte nach Befriedigung.
    An einem Abend wie diesem, als er in genau solchen Zustand verfiel, hatte er es geschafft, seine erste Gemahlin so zu verängstigen, dass sie ihn verließ. Damals war Vollmond gewesen, und sie war zu den Nachbarn geflohen, um ihnen von seiner Verderbtheit zu berichten. Von der Seltsamkeit seines Körpers. Von der Art, wie er sich im aufgehenden Mond vor ihren Augen verwandelt hatte. Obwohl Nick ihr folgte und einen Zauber wirkte, der den Schaden an ihrem Verstand linderte, hatten ihre Erzählungen für Gerüchte über Raine und seine Familie gesorgt. Seine Unbedachtheit verfolgte Raine bis heute.
    Seit jener desaströsen Nacht hatte er keine Befriedigung mehr mit

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