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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Violett?«
    »Wie bitte?« War sie einfältig?
    »Ihr habt nur sechs Bänder«, erklärte sie mit unübersehbarer Ungeduld. Anscheinend dachte sie,
er
wäre einfältig. »Dies hier sind nur sechs Regenbogenfarben. Wo ist Violett? Es fehlt.«
    »Ich weiß nicht. Wen kümmert’s? Ich habe sie für meine Schwägerin und ihre jüngere Schwester gekauft«, erklärte er, ärgerte sich jedoch gleich, denn diese Information war unnötig, und er enthüllte ungern auch nur die kleinsten Details über seine Person.
    Gereizt zerrte er an den Bändern und wiederholte seine Frage: »Wie alt seid Ihr?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Neunzehn. Was spielt das für eine Rolle?«
    Erleichterung überkam ihn, doch er blieb vorsichtig. »Lügt nicht! Ich suche meine Zerstreuung nicht bei Mädchen, die erst noch zur Frau werden müssen.«
    »Zerstreuung?« Sie erstarrte und blickte verwundert zu ihm auf. »Ich bin neunzehn«, wiederholte sie langsam.
    Raine blieb skeptisch.
    »Ich bin mir dessen ziemlich sicher, weil heute mein Geburtstag ist. Und wie alt seid Ihr?«
    »Siebenundzwanzig, als wäre das von Belang! Was ist Euer Preis?«
    Ihre dunklen Augen musterten ihn nachdenklich. Sie waren wunderschön, tief und unergründlich wie die Lagune. In solchen Augen könnte er versinken, könnte in ihnen seinen Kopf, gar sein Herz verlieren.
    Rasch ließ er die Bänder los und trat einen Schritt zurück, weil er sich lächerlich vorkam. Das Einzige, was er in ihr versenken wollte, war sein Schwanz.
    »Gleichgültig, ich zahle Euren Preis«, entschied er. »Kommt mit, falls Ihr gewillt seid! Wenn nicht, behaltet die verflixten Bänder, und ich suche mir eine andere Frau.«
    Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und schritt zur Anlegestelle. Er hoffte sehr, dass sie ihm folgte, denn andernfalls müsste er wieder zurück und sie sich holen.
     
    Blinzelnd sah Jordan dem großen imposanten Mann nach.
    Er hatte sie eine Frau genannt! Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte jemand sie mit solcher Gewissheit als Frau bezeichnet.
    Trotz ihres unmodisch kurzen Haars und obwohl er ihren Leib unter Salernos Umhang nicht gesehen hatte, nahm dieser wunderschöne Mann an, dass sie weiblich war. Und er wünschte, sie für irgendeine körperliche Zerstreuung zu gewinnen, für die er sie sogar bezahlen wollte. Ein aufgeregtes Kribbeln regte sich in ihrem Bauch.
    Sie schaute sich nach links um. Unter der Brücke hockten Bettler und Huren, die sie mit ihren hohlen Augen ansahen. Manche von ihnen blickten traurig, andere gierig, aber alle verzweifelt. Würden sie ihr etwas tun, wenn der große Mann erst fort war? Der Umhang, den sie trug, war eindeutig kostbar und könnte verkauft werden. Nahmen sie ihr diesen und die Maske, wäre Jordan nackt und schutzlos. Und selbst wenn sie ihnen entkam, lauerten um diese Stunde alle erdenklichen Gefahren, sollte sie sich allein auf den Weg nach Hause machen.
    Weiter vorn sah sie, wie der Mann einem Bootsmann auf der Gondel zuwinkte, die sie vorher schon gesehen hatte.
    »Ich komme!«, rief sie und lief ihm nach. Schnell hatte sie ihn eingeholt und nahm seine Hand.
    Er blieb stehen und zog seine Hand zurück. Seine silbernen Augen wirkten verärgert. Warum, konnte sie nicht sagen.
    Was für eine Begegnung zwischen ihnen stellte er sich vor, wenn er nicht von ihr berührt werden wollte? Unsicher tastete sie nach den Bändern und wickelte sie um ihre Hand, bis die Enden unter ihren angewinkelten Fingern eingefangen waren.
    Als sie bemerkte, dass er sie ansah, steckte sie die umwickelte Hand verlegen in die Tasche des Umhangs. Auch wenn sie ihm gehörten, wollte Jordan sie nicht wieder hergeben. Irgendwie vermittelten sie ihr ein Gefühl von Sicherheit.
    »Verzeiht! Ich werde mir künftig keine derartigen Freiheiten mehr herausnehmen«, versicherte sie.
    Er schwieg, nickte und schritt weiter voraus zu der einzelnen langen Gondel am Kai. Sie war elegant und schmal mit einem Gondoliere an jedem Ende und einer kastenförmigen Kabine in der Mitte, in der sich die Passagiersitze befanden.
    Dieser Aufbau hieß »Felze« und war mit aufwendigen goldgemalten Schnitzereien verziert. Die Türen und Fenster zu beiden Seiten gestatteten den Insassen, sich entweder allen zur Schau zu stellen oder sich zu verbergen, je nach Bedarf.
    Im Frühling standen Türen und Fenster häufig weit offen, wenn glückliche Bräute drinnen saßen, die frisch vermählt waren und ihre elegante Erscheinung allen Gratulanten entlang des Kanals zeigen

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