Die Nacht des Satyrs
ungleich schwerer ausmachen als sie seine.
»Der englische Dichter Byron. Er wohnte vor fünf Jahren dort«, erklärte sie. »Ganz Venedig war hingerissen, weil ein solch berühmter, geheimnisvoller Besucher hier residierte. Jeden Morgen standen die Leute Schlange, um zu sehen, wie er zu seinem täglichen Ritt aufbrach.«
»Habt Ihr auch Schlange gestanden?«
»Ich sah ihn einmal«, antwortete sie und ließ willentlich aus, dass dies auf Geheiß des Dichters geschehen war. Er hatte sie eines Septembers in Venedig gesehen, als sie ausgestellt war, damals erst vierzehn Jahre alt. Er und seine Entourage hatten eine exklusive Vorführung erbeten, die Salerno ihnen natürlich mit größter Freude gewährte.
Jordan erinnerte sich noch, dass Byron zu jener Zeit an
Childe
schrieb, weil er ihr gegenüber viel über das Werk sprach. Obgleich er durchaus charmant und atemberaubend gutaussehend gewesen war, hatte sie ihn nicht gemocht, denn er war vor allem sehr selbstverliebt.
Die Lichter der Stadt, die splittrige Strahlenmuster durch das regengesprenkelte Fenster warfen, verblassten, je weiter sie sich vom Ufer entfernten. Hinter ihnen geriet die Piazza San Marco bald außer Sicht, und mit dem Erreichen der Lagune schien es beinahe, als würden sie gänzlich in die Nacht gesogen.
Ihr Begleiter erhob sich halb von seinem Platz, um die dünnen Vorhänge zuzuziehen, so dass die Gondoliere sie nicht sahen, aber trotzdem noch das wenige Licht von draußen hereinfiel. Die seitlichen Fenster blieben offen, so dass der kühle Dunst eindrang, der vom Wasser herbeiwaberte.
Es mutete an, als wären sie in ihrer eigenen Zauberwelt beisammen. Sie kannte ihn nicht, wollte ihn über diese Nacht hinaus gar nicht kennen – über die Wonnen hinaus, die sein Körper ihr bescheren könnte, falls er sich als willig erwies.
Der Schein des Leuchtturms auf der Isola di San Giorgio Maggiore kam langsam von Steuerbord näher. Die Zeit verflog, und sie versäumte womöglich die einzigartige Chance, die nie mehr wiederkehrte.
Langsam glitt Jordan von ihrem Sitz und sank vor ihm auf die Knie. Seine Hände fielen auf die Polster neben ihm, und er veränderte seine Sitzhaltung, so dass sie Platz zwischen seinen Beinen fand. Das war eindeutig eine Ermunterung, wie sie dachte, und legte vorsichtig ihre Hände auf seine Knie. Da kein Widerspruch erfolgte, wurde sie etwas kühner und strich über seine Innenschenkel, bis sie in seinem Schritt angelangt war. Die Wölbung dort war sehr ausgeprägt und heiß, obwohl sie von Stoff verhüllt war.
Sie sah ihn an. »Ihr wollt mich. Wie ein Mann … eine Frau will.«
Ein Flackern ging durch seine faszinierend silbernen Augen, und er nickte kaum merklich.
Ohne seinen Blick loszulassen, erfühlte sie ihn durch seine Hose. Oben zwischen ihren Beinen pulsierte Jordan vor Verlangen nach ihm. Sie bewegte sich ein wenig, so dass ihre Ferse gegen ihre Scham gepresst war. Auf diese Weise konnte sie sich heimlich Befriedigung verschaffen.
Was Salerno und seine Gefolgsleute mit ihrem Körper angestellt hatten, war grob und unfreundlich gewesen. Und doch musste sie beschämt zugeben, dass es sie erregt hatte. Nach solchen Erlebnissen wie heute Abend fühlte sie sich stets wütend. Und zugleich empfand sie eine schmerzliche Sehnsucht nach Erfüllung durch die Hände anderer, freundlicherer Männer, die sich besser darauf verstanden, wie man eine Frau behandelte.
»Welchen Dienst wünscht Ihr, dass ich an Euch leiste?«, fragte sie, um ohne Umschweife zum eigentlichen Punkt zu kommen.
Ihre Blicke begegneten sich, während draußen der eine Gondoliere leise einem anderen etwas zurief, der sie passierte. Aber ansonsten war nichts zu hören außer dem rhythmischen Schlagen der Ruder und dem Platschen des Wassers am Rumpf, dem Gesang des Meeres.
Inzwischen war es fast vollständig dunkel in der Felze, und Jordan konnte kaum die Züge des schönen Mannes erkennen. Was bedeutete, dass er sie ebenfalls nicht besonders gut sehen konnte, wie ihr klar wurde. Sie schämte sich ihres Körpers nicht. Aber sie würde auch kein Risiko eingehen. Dieser wundervolle Mann sollte sie nicht voller Ekel betrachten. Sie wollte nicht, dass sein bezaubernder Mund ihr Beleidigungen entgegenschleuderte und sie ein Monstrum nannte. Nicht heute Nacht. Diese eine Nacht wollte sie seine Geliebte sein, die Frau, die er begehrte.
»Was schlagt Ihr vor?«, erwiderte er, verschränkte seine Arme vor der Brust und spreizte seine Schenkel noch
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