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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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eingekleidet ist.«
    Jordan und seine Mutter sahen ihn gleichermaßen verblüfft an.
    »Und …«, sprach Raine etwas lauter weiter, um den Protest seiner Mutter zu übertönen, »Ihr werdet keine Fragen stellen!«
    »Aber bis heute Nachmittag alles zu beschaffen, was diese Kreatur braucht, ist gänzlich unmöglich!«
    »Nicht für eine Frau Eures Ranges.«
    Sie blickte angeekelt zu Jordan, als widerstrebte ihr schon der bloße Gedanke, sie berühren zu müssen, weil sie fürchtete, sich an ihr zu beschmutzen. »Nun gut«, seufzte sie schließlich und streifte ihre Handschuhe ab. »Ich bin keine Schneiderin, aber ich werde mein Bestes tun, um ihre Maße zu nehmen.«
    »Nein!«, widersprach Jordan, die vor der feinen Dame zurückwich. »Ihr müsst meine Größen erraten.«
    Raine bedachte sie mit einem scharfen Blick, widersprach ihr jedoch nicht.
    »Gütiger Himmel!«, stöhnte die Frau, die rasch ihre Handschuhe wieder überzog und ihrem Sohn dann einen Zettel aus ihrem Handbeutel reichte. »Hier ist die Adresse des Flittchens. Ich lasse alles so schnell wie möglich herschicken, was ich für deine Freundin auftreiben kann. Es dürfte für alle Beteiligten angenehmer sein, wenn du die Sachen nicht bei mir abholen musst.«
    »Ja, das dürfte es ganz gewiss«, entgegnete Raine zynisch. »Was würden die Nachbarn denken, sollten sie mich, den Totgeglaubten, unvermutet wiedersehen? Ihr sagtet ihnen doch, ich wäre tot, nachdem Ihr mich aus dem Haus verbannt hattet, nicht wahr?«
    Seine Mutter rückte sich sehr sorgfältig den Hut zurecht, ehe sie antwortete: »Lass uns nicht von diesem höchst unerquicklichen Thema anfangen. Ich schlage vor, dass du mir Nachricht schickst, sobald deine Aufgabe erledigt ist.« Sie ging zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte und ihn streng ansah. »Enttäusche mich bitte nicht, Raine! Du schuldest mir etwas. Vergiss nicht, wie viel ich deinetwegen verloren habe.«
    Raine war wie versteinert, und sein Gesichtsausdruck hätte das Meer zum Gefrieren gebracht.
    Kaum dass seine Mutter gegangen war, hatte Jordan tausend Fragen – von denen sie angesichts seiner frostigen Miene allerdings nur eine einzige zu stellen wagte: »Warum in aller Welt batet Ihr sie, Kleidung für mich zu kaufen?«
    Ehe er ihr antwortete, öffnete er die Tür zum Korridor und wies einen Bediensteten draußen an, ein Bad zu bereiten.
    Als er wieder hineinkam, schloss er hinter sich ab. »Ich möchte, dass Ihr mich zu der Adresse begleitet, die meine Mutter mir gab. Und Ihr solltet mehr tragen als einen Umhang, eine Maske und Bänder, wenn wir nach Venedig übersetzen.«
     
    Jordan blickte an sich hinab und stellte fest, dass sie über die Bänder strich, die sie ihm gestern Abend abgenommen hatte, als wären sie ein Rosenkranz. Sie sah die bunten Stoffstreifen an, von denen sie so oft geträumt hatte und die sie letztlich zu ihm geführt hatten.
    Gleichzeitig fiel ihr ein, was sie morgens geweckt hatte: Träume. Sie waren neu, verwirrend und kamen nicht unerwartet. Nachdem die dritte und letzte Prophezeiung einer Traumserie sich erfüllt hatte, begann stets eine neue, die an ihre Stelle trat. Nacht für Nacht würden nun diese neuen Bilder erscheinen, bis auch sie Realität geworden waren.
    Wie gewöhnlich hatte es sich um drei Einzelteile gehandelt. Im ersten war ihr eine strahlendweiße Taube erschienen. Sie war wunderschön gewesen, wie sie auf dem Rücken liegend schlummerte, die Flügel weit ausgebreitet.
    Als Nächstes kamen vier Beine in blauen Strümpfen. Und als Letztes war eine Schlange aufgetaucht. Bei der Erinnerung an sie erschauderte Jordan und verdrängte das Bild fürs Erste.
    »Und was dann? Nach den Kleidern und dem Besuch jener Adresse, meine ich.«
    Raine kam näher und strich ihr eine Locke hinters Ohr, worauf Jordan ein wohliges Kribbeln überkam. »Ich habe die letzte Nacht sehr genossen. Falls Ihr nicht anderweitig gebunden seid, möchte ich gern, dass Ihr als meine Gefährtin mit mir nach Hause in die Toskana reist. Auch dort werdet Ihr Kleider benötigen.« Seine Augen wanderten über ihren Körper, und obgleich es nicht mehr als ein flüchtiger Blick war, fühlte er sich beinahe wie eine physische Berührung an. »Zumeist jedenfalls.«
    Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und wich einen Schritt zurück, weg von ihm. Gestern Abend hatte sie einen neuen Pfad eingeschlagen und gehofft, Unabhängigkeit zu finden, sich nicht mehr von Männern beherrschen zu lassen. Entsprechend war

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