Die Nacht des Satyrs
war, was er sofort entdeckte, und dass sein Wissen ihnen Unbehagen verursachte. So lernte er, still zu sein.
Eine Szene aus seiner Kindheit kam ihm in den Sinn …
Er war dreizehn Jahre und drei Monate alt gewesen und hatte sich bereit gemacht, mit seinem Vater die Stallungen zu besuchen, als seine Mutter ins Zimmer kam und ihren ganz eigenen Duft mit sich brachte. Ohne nachzudenken, hatte Raine sich stirnrunzelnd zu ihr gewandt.
»Ihr blutet«, sagte er sorgenvoll.
»Was?!« Perplex war sie vor ihm zurückgewichen. »Nein, das tue ich nicht!«
»Doch, zwischen Euren Beinen«, beharrte Raine damals.
Sogleich hatte seine Mutter die flache Hand auf ihren Rock gelegt, als wollte sie die Stelle verstecken, an der ihre Schenkel sich trafen, und ihn angestarrt. »Wie kannst du es wagen!«
Sein Vater war stumm vor Schreck gewesen.
Auch Raine schwieg verwirrt, als er begriff, dass er schon wieder etwas Falsches gesagt hatte.
Dann hatte seine Mutter mit dem Arm ausgeholt und ihn geohrfeigt. »Woher weißt du das, du Satansbrut?«
Raine berührte seine brennende Wange, die nicht das Einzige war, was schmerzte. Er hatte doch nur die Wahrheit gesagt. Seine Mutter blutete, und er sorgte sich um sie.
Also wandte er sich an seinen Vater. »Was ich sage, ist wahr. Jemand sollte sich um Mutter kümmern.«
Eine endlose Weile lang sah sein Vater ihn nur forschend an. Seine Augen wanderten über das kantige Kinn, die gerade Nase und die schmalen hohen Wangen des Jungengesichts, das so gar keine Ähnlichkeit mit seinem eigenen, ungleich plumperen aufwies. Schweigsam betrachtete er Raines großen muskulösen Körper, als sähe er ihn zum ersten Mal, als bemerkte er erstmals, dass sein Sohn ihn bereits überragte, war er selbst doch eher klein und untersetzt.
Er hatte stets behauptet, stolz auf seinen so großgewachsenen, wohlproportionierten einzigen Sohn zu sein. Nun jedoch wurde er misstrauisch.
Und als er zu Raines Mutter schaute, senkte sie schuldbewusst den Blick.
Raine blickte von einem zum anderen. Zwar wusste er, dass er der Grund für die plötzlich sehr angespannte Atmosphäre war, verstand es allerdings nicht.
»Ist es deine Frauenzeit?«, fragte sein Vater leise und vorwurfsvoll.
Seine Mutter nickte.
»Woher weißt du es?«, fragte er Raine als Nächstes.
Raine streckte die gespreizten Finger halb vor. »Ich weiß es einfach.«
Diese Frage hatte er in den vergangenen Monaten wieder und wieder gehört. Und er hatte die seltsam ängstlichen Blicke bemerkt, mit denen man ihn immer häufiger bedachte, seit er dreizehn geworden war und diese befremdliche Fähigkeit entwickelte.
Wie konnte er wissen, dass der Pfarrer, der zu Besuch kam, zum Frühstück Schellfisch gegessen hatte? Woher wusste er, dass der Lumpensammler auf der Straße einen verfaulten Zahn hatte? Wie konnte er ahnen, wo der Schmied sein Geld versteckte? Was brachte ihn auf den Gedanken, dass der Fleischer mit einer anderen Frau als seiner Gemahlin das Bett geteilt hatte? Wie konnte er wissen, dass die Katze morgens einen Vogel gefangen hatte?
Die Antwort auf all diese Fragen lautete gleich: Er konnte das alles natürlich riechen. Konnte das denn nicht jeder?
Seine olfaktorischen Fähigkeiten wurden sogar noch mit jedem Tag ausgeprägter und feiner. Jederzeit konnte er die Luft um sich herum analysieren und eine Vielzahl von Gerüchen ausmachen. Er roch die Erregung der Zofe, wenn sie seinen Körper betrachtete; den Schimmel, der in den Kellerwänden wucherte; die Samen, die in der Erde sprossen.
Aber nachdem er das Blut seiner Mutter angesprochen und damit offenbar einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte, schwieg er lieber über derlei Dinge. Doch obgleich seine Eltern die verstörenden Ereignisse jenes Tages nie wieder erwähnten, stand etwas anders zwischen ihnen dreien. Das Vertrauen war nachhaltig erschüttert worden.
Ein weiterer Monat verging, und Raine schwieg, was weitere körperliche Veränderungen betraf, die er nun an sich wahrnahm und die ihm Sorge bereiteten. Denn er hatte begonnen, jeden Morgen mit einem steifen Penis aufzuwachen, der so geschwollen war, dass es schmerzte.
Eines Morgens hatte er ihn in seiner Verzweiflung mit der Hand gestreichelt, um den Schmerz zu lindern. Binnen Sekunden ließ die Spannung nach und spritzte milchiger Saft aus der Spitze, der die Laken befleckte. Es war eine solch angenehme Erleichterung gewesen, dass Raine sich fortan täglich auf diese Weise molk.
Beschämt und durcheinander, wie er
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