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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hört Euch bis auf die Straße. Und, nein, WIR haben ein Problem. Ich dürfte eigentlich gar nicht mit Euch darüber sprechen. Was Ihr als», er fuhr heftig mit seinem großen blauen Tuch über seine Stirn, «als dummes Geschwätz abtut, wird an höherer Stelle, ja, an höchster Stelle sehr ernst genommen. Habt Ihr daran schon gedacht? Im Rathaus hört man auch, was herumgeschwatzt wird, sogar besonders gut hört man da. Deshalb will Senator van Witten nun endlich einen Täter, und der soll nicht Herrmanns heißen. Das ist ja klar, oder? Die Herren untereinander. Der Täter soll einer sein, der tatsächlich verdächtig ist, der Grund hatte, den Konfektbäcker zu erschlagen …»
    «Er wurde nicht erschlagen, sondern …»
    «So gut wie erschlagen. Ach, verflucht.» Wagner sah sich rasch und verstohlen nach den beiden anderen Gästen um, sie widmeten sich wieder ganz ihrem Gespräch, andere waren nicht gekommen, bevor er die Faust auf den Tisch legte und öffnete.
    «Was ist das?» Rosina beugte sich über Wagners Hand. «Ein Knopf. Aus Silber? Oh.» Sie hatte den Knopf mit der Fingerspitze gedreht und entdeckt, dass ihn ein geprägtes großes H zierte. «Wenn Ihr ihn so bedeutsam zeigt, heißt das, er hat mit dem Mord zu tun. Habt Ihr den bei der Brücke über das Fleet gefunden? Ist das ein H? Ja, natürlich, H wie Hofmann. Mensch, Wagner, sagt doch was. Oder machen wir ein Ratespiel?»
    «H wie Hofmann», stimmte er zu, «das dachte ich auch. Aber der Konditor hatte keine solchen Knöpfe, das habe ich geprüft, seine Familie sagt das, und auch von den nächsten Nachbarn hat keiner je so einen Knopf bei ihm gesehen, auf Witwen soll man sich in solchen, nun ja, delikaten Fragen nie verlassen. Kennt Ihr ihn, Rosina?»
    Sie nahm den Knopf, besah ihn genau und schüttelte langsam den Kopf. «Nein. Aber ich glaube, ich weiß, was Ihr denkt. H wie Herrmanns. Woher habt Ihr diesen blöden Knopf?»
    Wagner erlaubte sich noch ein Schlückchen Branntwein, bevor er antwortete. «Dieses Silberding hat der Nachtwächter beim Heilig-Geist-Hospital gefunden, und zwar kurz bevor er den toten Konfektbäcker im Fleet entdeckte. Er hat es eingesteckt und vergessen.»
    «Er hat einen so wertvollen Fund vergessen?»
    «Das sagt er. Man findet nicht alle Tage einen Toten, darüber vergisst man schon mal was. Als es ihm wieder eingefallen ist, hat er ihn zu mir gebracht. Darauf kommt es an, er ist ein ehrlicher Mann. Manch anderer hätte ihn heimlich verkauft.»
    «Wann hat er ihn gebracht?»
    «Gestern.»
    «Gestern, soso. Haltet Ihr das für einen Zufall? Er hat ganze vier Tage gebraucht, sich zu erinnern, und dann erst …»
    «Drei.»
    «Von mir aus. Jedenfalls kursieren mindestens seit gestern auch die Gerüchte über Monsieur Herrmanns und Molly Runge. Vielleicht hat ihn jemand dafür bezahlt, dass er den Knopf ‹findet› und gerade jetzt passend abliefert.»
    «Gute Idee, Rosina, aber da wird noch anderes erzählt.» Jakobsen hatte die beiden anderen Gäste verabschiedet, er setzte sich neben Rosina auf die Bank. Wagner hätte ihn am liebsten wieder weggeschickt, aber das war unmöglich. «Herrmanns soll sich mit dem Konfektbäcker auf der Straße geprügelt haben», erklärte Jakobsen, «beim Heilig-Geist-Hospital, nur ’n paar Schritte von der Stelle, wo Haber am nächsten Morgen die Leiche entdeckt hat. Und Herrmanns», er beugte sich weit über den Tisch Wagner zu, «der Herrmanns soll ein Loch in der Kledasche haben, mindestens so groß wie ’ne Faust, und just da fehlt auch ein Knopf. Und vor allem», Jakobsen zeigte ein triumphierendes Gesicht, «vor allem soll er versucht haben, den Rock verschwinden zu lassen. Das klingt nicht gut, was? Gar nicht gut.»
    Wagner stützte müde das Kinn in die Hände und schwieg, denn was Jakobsen als neueste Geheimnisse verriet, wusste schon die halbe Stadt.
    Rosina gehörte offensichtlich zur anderen Hälfte. «Jakobsen, du spinnst.» Sie wurde allmählich wütend. «Es ist lächerlich, Herrmanns eine Liaison mit Molly Runge zu unterstellen, absolut lächerlich.» Sie hörte ihre Stimme schrill werden, leider ein sicheres Zeichen, dass sie sich selbst von ihren Worten überzeugen musste. «Und noch viel lächerlicher ist es, anzunehmen, er habe jemanden getötet. Ob Hofmann oder sonst wen. Was sind das für verwegene Behauptungen? War jemand dabei? Hat es jemand gesehen?»
    «Das nicht», sagte Wagner dumpf in den auf Rosinas Frage folgenden Moment des Schweigens. Eigentlich hätte

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