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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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der Küche, die Mamsell würde gleich frische Grütze bringen, wie an jedem Morgen. Er hörte nichts. «Ist Corinna nicht da?», fragte er.
    «Schon wieder weg, sie war nur kurz hier, hat das Feuer geschürt und den Wasserkessel darübergeschoben. Ich werde dir einen besonderen Tee machen, ein wahres Wundermittel, acht verschiedene Kräuter, die Hälfte davon recht bitter. Die werden dich im Handumdrehen wieder auf die Beine bringen. Noch besser wäre es, du gingest zum Schmied hinüber und erbätest etwas von seinem Eisenwasser, man hört ja seinen Hammer, gerade taucht er die Eisen in seinen Bottich, so frisch ist das Wasser das beste Mittel gegen all zu viel Empfindlichkeit.»
    Leubold wurde sofort noch übler. «Danke, Onkel, sehr nett. Wirklich. Ein Stück Ingwerwurzel in kochendem Wasser wird aber reichen. Es ist nicht so schlimm, wie es scheint. Wo, sagten Sie, ist Corinna? Sie sollte Momme heute im Magazin und in der Trockenkammer helfen. Einige der zum Trocknen aufgehängten Kräuter sind nicht ordentlich gebunden.»
    «Sie kommt später zurück, eine Tante ist krank, hat sie gesagt, der muss sie was kochen, Umschläge machen, was weiß ich. Heute ist wirklich ein seltsamer Tag, findest du nicht?»
    «O ja, sehr seltsam, aber ich dachte, nur in meinem Kopf. Sie hätten mich wecken sollen.»
    Friedrich überhörte die sanfte Kritik, er schob seinen Teller zurück und stand auf. «Ingwerwasser, aha, gute Idee. Macht auch keine Mühe. Warum habe ich nicht gleich daran gedacht? Das könnte sogar dieses alte Rossleder genießbar machen.»
    Er schlurfte in die Küche, nicht viel mehr als eine Abseite mit einer gemauerten Feuerstelle, einem Regal und kleinen Arbeitstisch, einer Holzkiste. Die Vorräte hatten ihren Platz in einer Extraecke neben dem Magazin der Apotheke.
    «Ja, ein seltsamer Tag», rief der alte Mann aus der Küche. Er befreite rasch und geschickt ein Stück Ingwerwurzel von der Schale, schnitt es dreimal durch, legte es in einen Topf und goss mit dem großen Schöpflöffel von dem siedenden Wasser darüber. An normalen Tagen hätte er nun den Topf über das Feuer gehängt und die Wurzel eine Weile kochen lassen, heute fehlte ihm dazu die Geduld.
    Sein Neffe hatte inzwischen einen Krug gesäuerte Milch getrunken, kein Getränk, das er liebte, aber es löschte den ersten Durst und beruhigte wider Erwarten das Brennen in seinem Magen.
    Der alte Friedrich stellte den dampfenden Topf auf den Tisch, dazu zwei Becher und setzte sich wieder. Leubold beobachtete ihn träge, alles verlief halb so schnell wie sonst, sein Verstehen und Begreifen ebenso wie Friedrichs Bewegungen. Entweder er ging wieder in sein Bett, oder er riss sich zusammen. Er entschied sich für Letzteres.
    Also straffte er den Rücken, presste ein letztes Mal die Hände gegen die Schläfen und atmete den erfrischend würzigen Duft ein, der aus dem Topf aufstieg.
    «Also gut, ein seltsamer Tag. Warum? Wegen Corinna? Diese Tante ist tatsächlich krank, ich weiß. Sie muss steinalt sein. Was noch?»
    «Seltsam?» Friedrich kicherte. «Du solltest dich sehen, Neffe. Ein höchst seltsamer Anblick. Der Schnaps bekommt dir nicht, entweder du übst fleißiger, oder du lässt ihn ganz. Aber das nur nebenbei. Nein, ich meine Momme. Es ist schon seit anderthalb Stunden hell, und dein Herr Geselle schläft auch noch. Oder hast du ihn mit einem Auftrag weggeschickt? Sicher nicht, du hast ja bis jetzt geschlafen. Habt ihr euch in der letzen Nacht etwa zusammen die Nase begossen? Oder hat er in den Gassen das lärmende Nachtgespenst gegeben, und wir müssen ihn auf der Wache auslösen?»
    Nebel und Trägheit in Leubolds Kopf verschwanden schlagartig, doch dann fiel ihm wieder ein, dass gestern Sonntag gewesen war, der Tag, an dem der Bremer Schlüssel zumindest am Abend die Tür zugesperrt hielt. Er umfing den Becher mit beiden Händen, als er behutsam an dem dampfenden Tee nippte, die Wärme war wohltuend wie ein Streicheln. «Nein, das habe ich alleine geschafft. Momme ist früh in seine Kammer hinaufgestiegen, gleich nach dem Abendessen. Ich glaube nicht, dass er später noch ausgegangen ist, das wäre ungewöhnlich an einem Sonntagabend und bei solchem Sauwetter. Er hatte auch etwas von einem Roman erzählt, den er sich bei einer der Bücherbuden ausgeliehen hat. Ja, neuerdings liest er Romane. Es ist in der Tat seltsam», fügte er wie zu sich selbst gesprochen hinzu. «Er ist doch sonst kein Langschläfer.»
    «Dann mach ihm endlich Beine. Du

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