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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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schon allein ausgegangen.

KAPITEL 12
    D ie Becker’schen Komödianten saßen im Hof der Krögerin, als Rosina am nächsten Morgen in der Neustädter Fuhlentwiete ankam. Niemand hatte sich bisher zu Proben aufgerafft oder mit anderen nötigen Arbeiten an Kulissen, Kostümen oder Texten und Melodien begonnen. In der Nacht hatte es Pöbeleien vor dem Tor gegeben, Betrunkene hatten randaliert und «Mörderbrut» und «Vagantenschweine» gegrölt, bis die Nachtwächter kamen – sie hatten sich Zeit gelassen – und sie vertrieben. Die Krögerin hatte sich schon vor dem Frühstück beschwert, wenn das so weitergehe, müssten sie eine andere Unterkunft finden. Ihr Haus sei ehrbar, als arme alleinstehende Witwe müsse sie auf ihren guten Ruf achten, außerdem fürchte sie um ihr Leben. Und um das ihrer Magd.
    Als Titus den wie ein Rumpelstilzchen auffahrenden Jean mit einem Ruck wieder auf die Bank zog und seelenruhig versicherte, es sei kein Problem, wenn sie es wünsche, könne man gleich packen und gehen, war ihr Ton moderat geworden. Ach, Herr Titus, hatte sie schmeichelnd gesagt, so habe sie es doch nicht gemeint. Man kenne sich ja viele Jahre, der nächtliche Lärm habe sie und ihr Mädchen nur furchtbar erschreckt. Wirklich furchtbar, wenn man ganz allein in seinem Bett liege, und dann mitten in der Nacht so ein Überfall! Zum Glück sei der Hof gut geschützt, sie halte alles stets in bester Ordnung, und kein Stein sei weit genug herübergeflogen, kein Fenster zu Bruch gegangen. Wenn das noch geschehe, müsse sie das Glas leider in Rechnung stellen.
    Rosina ging mit Helena und Jean zur Fronerei, sie gaben eine solide Wolldecke und ein Körbchen mit Essen und einer Flasche guten Feldbrunnenwassers ab, besuchen durften sie Muto nicht. Als Jean sich gleich wieder aufregte, nahmen Helena und Rosina ihn flugs in die Mitte und bugsierten ihn hinaus. Es war nicht gut für Muto, die Wachen zu beleidigen – und es gab an der Rückwand das kleine Fenster. Ob Jean sich nicht erinnere?, fragte Rosina. Dort hockten sie dann, ohne ihn sehen zu können, konnten ihm immerhin zuflüstern, sie seien da und kämen jeden Tag am Vormittag und noch einmal gegen Abend, und überhaupt sei gute Aussicht auf seine baldige Rückkehr in die Freiheit. Dann kamen die Wachen und trieben sie fort.
    Rosina hatte sehr wohl bemerkt, dass in dem Gewimmel auf dem Platz um die Fronerei bekannte Gesichter waren, die sie dort an dem Fensterloch sahen und pikierte Mienen zeigten. Eine ordentliche Bürgerin hockte nun mal nicht vor der Fronerei und flüsterte mit einem Eingekerkerten. Natürlich wurden ab und zu auch gute Bürger festgesetzt, zumeist wegen Schulden oder nicht ganz redlicher Geschäfte um einen Bankrott. Aber die wurden dann in das neu und recht kommod eingerichtete Bürgergefängnis im Turm des alten Winser Tors gebracht. Weit weg von der letzten Station vor dem Galgen. Leider hatte auch Madam Schwarzbach, die eifrigste Klatschbase der Stadt, diese seltsame Madam Vinstedt in der wenig reputierlichen Situation erkannt. Besonders heute war das Rosina völlig einerlei.
    Als sie in die Mattentwiete zurückkehrte, saß Magnus an dem Sekretär, den sie gemeinsam benutzten. Er stand auf und trat in die Diele, sah ihre bekümmerte Miene und schloss sie fest in die Arme.
    «Hast du ihn gesehen?», fragte er und gab sie wieder frei.
    «Nein, die Wachen haben uns nicht reingelassen, und Wagner war nicht da. Was ich gut finde, denn ich hoffe, er ist Tag und Nacht unterwegs, um endlich den Richtigen zu schnappen. O Magnus, was sollen wir nur tun, wenn er den nicht findet? Wenn der Verdacht gegen Muto bestehen bleibt. Wenn …»
    «Schschsch …» Er zog sie wieder ganz nah heran, schloss sie in seine Arme und erklärte mit einer Entschiedenheit, die er ganz und gar nicht empfand, das werde keinesfalls geschehen. «Das kann nicht sein», erklärte er, «das ist nicht Mutos Schicksal. Sollte er denn die Kriegswirren überlebt haben, um nun unschuldig für einen anderen zu büßen? Das kommt überhaupt nicht in Frage.»
    Den Kopf in den Nacken gelegt, sah sie ihn prüfend an. «Ich danke dir.» Sie berührte zärtlich seine Wange mit ihrer. «Genau das musste ich jetzt hören. Es hat wohl keinen Sinn, darüber zu grübeln, was passiert, wenn deine lieben Trostworte nicht wahr werden?»
    «Gar keinen Sinn. Reine Verschwendung von Kraft. Darf ich dich etwas fragen?»
    «Natürlich. Frage.»
    «Quälst du dich nun mit dem heimlichen Gedanken, ob Muto

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