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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Schlange geschnitzt war, hielt er still. Der Stab fuhr langsam über seinen Körper, von der Stirn bis zu den Zehenspitzen, und es war Volker plötzlich, als durchströme ihn ein heißer wohliger Strom. Die Nacht des schwarzen Zaubers hatte begonnen.

7
    Tomamai sah Volker eine Weile stumm an. Sein Schlangenstab lag quer über der Brust des Jungen, und wieder durchströmte diesen ein seltsames Wohlgefühl. Die Petroleumlampe warf ein armseliges Licht auf das Bett, auf die Stapel von Kisten, Kartons und all das übrige Gerumpel, das der gute Rank in den Jahrzehnten seines Einsiedlerlebens zusammengetragen hatte. In diesem trüben Licht wirkte Tomamais Aufmachung mit dem riesigen Kopfschmuck erschreckend, drohend beinahe, und für einen gläubigen Eingeborenen geradezu niederschmetternd. Ein Gesandter der gefürchteten Götter saß hier, auch wenn im Laufe der Jahrhunderte die Menschen dieser Inselgruppe entweder christlich oder mohammedanisch geworden waren. Der uralte Götterglaube, die Angst vor den mächtigen Ahnen, die Hilflosigkeit angesichts der Naturmächte, die sich im Orkan und in der tobenden See kundtaten, all das nahmen sie als Beweis dafür, daß Tomamais Götter lebten, auch wenn der Pater in der Missionsschule es leugnete und von einem sanften Christus predigte.
    »Kannst du Englisch?« fragte Volker langsam. Die angenehme Müdigkeit nahm alle Schwere von ihm, es war ihm, als schwebe er in den Lüften. Um weiterzusprechen, suchte er jetzt nach Worten. Vier Jahre Schulenglisch hämmern zwar Grammatik in die Kinderhirne, aber für eine Unterhaltung reicht es nicht aus. Noch immer lehren die Schulen an der Lebenspraxis vorbei.
    »Ja«, sagte Tomamai. Er hatte eine tiefe Stimme, die nur dann schrill und ein wenig unmenschlich wurde, wenn er seine Beschwörungen begann. Dr. Rank behauptete, das sei ein wüster, aber wirksamer Trick: Menschlich mit den Göttern zu reden, erzeuge keine heiligen Schauer.
    »Werde ich wieder gesund?« fragte Volker mühsam. Der Schlangenstab quer über seinem Körper schien zu glühen, aber die Hitze erzeugte keine Schmerzen.
    »Glaubst du daran?« fragte Tomamai dunkel.
    »Keiner weiß die Wahrheit. Sie sehen mich alle nur mit traurigen Augen an. Aber ich will weiterleben. Ich will.« Er hob den Kopf. Tomamai beugte sich vor, sein Kopfputz mit der schrecklichen Götterfratze schwankte, als sitze ein lebender Götze auf seinem Schädel.
    »Was wissen die Menschen von der Natur?« sagte Tomamai und nahm den Stab von Volkers Leib. »Wind und Regen, Sonne und Mond, Tag und Nacht, Erde und Meer, sie begreifen nicht, was das ist.« Er nahm die Petroleumlampe von der Kommode, stellte sie neben dem Kopf des Jungen auf eine Kiste und griff unter sein Federkleid. Als er die Hand zurückzog, hatte er eine längliche Muschel zwischen den Fingern, ein seltsames Gebilde – es war innen hohl wie ein Rohr und hatte eine rötliche Farbe.
    »Mach die Augen auf«, sagte Tomamai. »Ganz weit auf. Ich werde mir die Krankheit ansehen.« Er drückte das Muschelrohr an sein rechtes Auge, setzte das andere Ende auf Volkers linkes Auge, und so, von aller Umwelt abgeschlossen, drang Tomamais Blick tief in den Jungen ein. Es war, als durchbohre sein Auge der Strahl eines kalten Lichts. Aller Wille in ihm erlosch, seine Muskeln entspannten sich, die Schwerelosigkeit verstärkte sich, sein Denken setzte aus.
    »Ich sehe sie«, hörte er Tomamais dunkle Stimme sagen. Sie klang so fern, als wäre eine dicke Wand zwischen ihnen, und sie hallte nach, als wölbe sich ein riesiger Raum über ihnen. »Ich sehe die Krankheit. Sie ist wie ein Saft, der die anderen Säfte vergiftet.«
    Er setzte das Muschelhorn ab, legte seine faltige Hand über Volkers Augen, und das letzte, was der Junge wahrnahm, war ein merkwürdig süßlicher Geruch, der aus dieser Handfläche strömte. Dann versank er in völlige Vergessenheit und in tiefen Schlaf. Tomamai lehnte sich zurück. Er holte tief Atem, und plötzlich stieß er einen hellen, durchdringenden Schrei aus.
    Draußen vor dem Haus fuhren Baumann, Marga und Claudia fast gleichzeitig hoch. »Mein Gott!« stammelte Marga. In ihren Augen stand das Entsetzen. »Was macht er mit Volker?« Sie wollte ins Haus stürzen, aber Dr. Rank gelang es gerade noch, sie am Kleid festzuhalten und zurückzureißen.
    »Machen Sie jetzt keine Dummheiten, Marga!« sagte er rauh. Und zu Baumann, der mit geballten Fäusten an der steinernen Balustrade stand, sagte er: »Alex, ich weiß, was

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