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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Signalplatz. Aber Baumann hielt ihn an der schlotternden Hose fest.
    »Charlie, das ist doch Unsinn! Man kann mit dem schwarzen Zauber doch keine Leukämie bändigen.«
    »Wissen Sie das so genau?« Dr. Rank riß sich mit einem Ruck los. »Ich habe hier gelernt, daß jede Wissenschaft so löcherig ist wie ein Sieb. Tomamai wird, wenn er überhaupt kommt, eine Mordsschau abziehen. Es wird qualmen, zischen und brutzeln, und es wird bestialisch stinken. Ein Zauber, der keinen Krach macht und nicht stinkt, ist nichts wert. Eine alte Negerregel. Soll ich nun?«
    »Rufen Sie ihn«, sagte Baumann kleinlaut. »Und wenn es nur den einen Sinn hat, daß Volker einen richtigen Medizinmann und Zauberer kennenlernt.«
    Das Signal, das Dr. Rank jetzt blies, war nicht englischer Herkunft, sondern ein wildes, schauriges Trompetengeheul. Marga kam entsetzt aus dem Haus und fiel Alex in die Arme.
    »Ist er verrückt geworden?« sagte sie, und dann kamen ihr die Tränen.
    »Es scheint so. Wie geht es Volker?«
    »Er schläft jetzt.«
    »Ich übernehme die Wache. Ruh dich aus, Marga.« Er küßte sie auf die Augen. Dann ging er ins Haus. Rank blies noch immer – ein Heer von Schakalen konnte nicht schauerlicher heulen. Plötzlich setzte er die Trompete ab und lauschte. Von weit her antwortete ein dumpfes rhythmisches Trommeln. Tomamai antwortete.
    »Er kommt, wenn es dunkel ist«, sagte Dr. Rank zu Marga, als er von der Fahnenstange zurückkam. »Natürlich muß es Nacht sein. Große Zauberer brauchen die Dunkelheit. In der Nacht ist der Mensch, psychologisch gesehen, nackt und willig.«
    Volker schlief nicht, als Baumann leise ans Bett trat. Mit seinen großen fiebrigen Augen starrte er seinen Vater an. Er hob den Arm, umkrallte Baumanns Hand und hielt sie fest.
    »Muß ich jetzt schon sterben?« fragte er stockend. »Papa, sag es mir. Ehrlich …«
    Es schnürte Baumann die Kehle zu, aber er setzte sich an Volkers Bett und schüttelte den Kopf. »So schnell geht das nicht, mein Junge.«
    »Aber das Fieber, Paps, und die Schmerzen in der Brust …«
    Baumann schwieg. Was sollte er sagen? Schmerzen im Brustbein, und später überall Schmerzen, aus den Knochen heraus … Dr. Oberfeld hatte eine Liste aller Symptome zusammengestellt und Baumann vor der Abreise übergeben. Eine Liste des Verfalls, eine Zusammenstellung von Worten, fürchterlicher nicht denkbar.
    »Die Anstrengungen der letzten Tage, Volker«, sagte Baumann gepreßt. »Du erholst dich wieder. Ich weiß genau, daß du dich erholst …«
    In der Nacht, als der Mond genau über dem Dorf stand, kam Tomamai, der Zauberer. Er erschien mit kleinem Gefolge, was Dr. Rank verwunderte. Nur ein kleiner, fast schwarzer Junge, aber mit einem indischen Gesicht, begleitete ihn und schleppte in zwei Säcken das geheimnisvolle Beschwörungsmaterial. Marga, Claudia und Baumann saßen auf der Terrasse und starrten Tomamai an. Er war ein Mensch ohne Alter, eine Mischung aus Neger, Inder und Polynesier, mit einem sehr feinen Gesicht und zartgliedrigem Körper. Was er alles auf dem Leib trug! Dieses Kleid aus Federn und buntbemalten Holzschnitzereien, die Muschelketten und der Kopfschmuck, ein wundersames Gebilde, das aussah wie eine Götzenfratze mit acht Armen: das alles hatte aus dem Menschen eine Puppe gemacht. Allein die faltige Haut an den Händen verriet, daß er ein alter Mann war, und die Flächen seiner nackten Füße waren von dicken Hornhäuten besohlt.
    Tomamai beachtete weder Dr. Rank noch die Baumanns. Sein starrer Blick erfaßte sie gar nicht. Es waren Augen, die in eine andere, unbekannte Welt blickten. Ohne zu fragen, ging er ins Haus, als gäbe es zwischen dem Kranken und ihm eine geheime, magische Verbindung.
    »Volker wird sich zu Tode erschrecken!« sagte Marga tonlos.
    »Ruhe!« zischte Rank.
    »Ich habe ihn vorbereitet«, flüsterte Baumann. »Er freut sich.«
    »Gleich wird es stinken und krachen!« sagte der Doktor kaum hörbar, als Tomamai in seinem Haus verschwunden war. Der kleine schwarze Junge blieb draußen und holte aus einem Sack drei flache eiserne Schalen. »Darin verbrennt er seine Kräuter und Wurzeln. Ich sage Ihnen: Eine Stinkbombe aus seligen Kindertagen ist feinstes Parfüm dagegen. Wissen Sie übrigens, daß Tomamai englisch spricht?«
    »Was!«
    »Er war im ersten Weltkrieg drei Jahre Sanitäter.«
    Volker hob den Kopf, als Tomamai eintrat. Er erschrak nicht; er lächelte schwach und nickte ihm zu. Auch als Tomamai ihn mit einem Stab berührte, der wie

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