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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorgebauten Veranda, niemand hatte sie kommen sehen. Ihr schlanker Körper war wieder in ein gelb-rotes Tuch gewickelt, und die schwarzen Haare fielen offen bis zu den Hüften. Sie starrte Baumann mit ihren großen feurigen Augen an, dann legte sie die Hände flach auf ihre Brüste und lächelte ihm zu.
    Er sah sie an, und fort war Tomamais schwarzer Zauber, denn ein neuer Zauber hielt ihn gefangen; der Zauber ihrer Schönheit. Doch da bewegte sich Marga, und er bemerkte, daß sie weinte. Alex wandte sich ab, führte seine Frau aus den stinkenden Rauchwolken von Tomamais Pfannen und streichelte ihr übers Haar. »Morgen früh fliegen wir nach Mahé«, sagte er mit einer Zärtlichkeit, die ihm selbst seltsam kühl vorkam. In seinem Nacken spürte er, beinahe wie einen heißen Druck, Sathras Blick. »Vielleicht haben wir alles falsch gemacht. Ich weiß es nicht. Wir müssen ganz stark sein, Marga.«
    Er küßte Marga auf die Augen und spürte das Brennen in seinem Nacken stärker. In den glühenden Pfannen knackte und krachte es, die Wurzeln zersprangen in der Glut wie kleine Patronen, die Kräuter dampften in der kochenden Flüssigkeit und lösten sich auf. Tomamai begann zu singen, leise, mit einer fast kindlichen Fistelstimme, und sein Oberkörper bewegte sich vor dem Feuer hin und her wie ein mit Federn beklebtes Pendel.
    Es war eine qualvolle halbe Stunde, bis endlich die Feuer niedergebrannt waren und Tomamai den Sud, den er gekocht hatte, aus den drei Pfannen zusammenschüttete in eine geschnitzte hölzerne Schüssel. Er neigte sich tief über das Gebräu, die Fratze des Gottes auf seinem Kopf berührte das Gefäß, dann stand er feierlich auf und schritt, die Holzschale weit von sich haltend und Gebete murmelnd, feierlich auf die Tür des Hauses zu.
    Titus Hansen kniff Dr. Rank in den Arm. Der Alte verzog sein zerknittertes Gesicht. »Ich habe nicht alles Gefühl restlos versoffen«, knurrte er.
    »Soll Volker etwa dieses Zeug trinken?« fragte Hansen.
    »Was sonst? Das war doch der Zweck der ganzen Beschwörung.«
    »Das lasse ich nicht zu, verdammt noch mal!«
    »Bitte! Laufen Sie Tomamai nach und machen Sie ihm klar, daß er ein Scharlatan ist!« Rank konnte wieder laut sprechen, die Tür hatte sich hinter Tomamai geschlossen. »Wissen Sie, was für Giftzeug Sie schlucken, wenn Sie eine Grippe haben oder irgendeine Entzündung? Aber das ist natürlich von einem Arzt verschrieben! Ist eine akademische Ausbildung Garantie genug? Titus, Sie knien genauso ehrfürchtig vor einem weißen Kittel wie Millionen andere Menschen. Warum soll Tomamais Gesöff unverträglich sein? Aber ich weiß, was aus den chemischen Giftküchen sprudelt, ist immer gut!«
    »Das sagen Sie als Arzt?«
    »Als ich noch Arzt war, mein Lieber, hätte ich Tomamai mit Hurra in den Arsch getreten.« Rank setzte sich auf den Hauklotz. Baumann, Marga und Claudia standen jetzt dicht beisammen – drei Menschen, die aneinander Halt suchten. »Dann war ich plötzlich nicht mehr Arzt«, fuhr Rank fort, »warum, das geht Sie einen Dreck an, aber ich hatte einen guten Blick für Außenseiter. Ich wurde Schiffsarzt, nicht auf einem Luxusliner, die hätten mich nie genommen, sondern auf Frachtschiffen, die nur stinkende Dreckhäfen anliefen. Ich war der Doc des menschlichen Abfalls. Und was glauben Sie, was ich entdeckt habe? In Indien einen Heiligen, der Hautkrebs mit einem Gemisch aus vergorenem Hühnerblut und einem unbekannten Pflanzensaft heilte. In Birma einen Mönch, der Epilepsie mit silbernen Nadeln behandelte, die er in den Nacken der Kranken stieß. In Basra einen islamischen Hakim, der Blasensteine von außen zertrümmerte, indem er den Patienten seinen Zeigefinger in den Hintern steckte, Gebete aus dem Koran lallend. Lachen Sie nicht so dämlich, Titus. Unsere Welt ist voll mit Dingen, die wir nicht verstehen. Sie weichen allen Erklärungen aus.«
    »Und warum erzählen Sie uns das alles?« rief Baumann empört. »Gerade jetzt?«
    Dr. Rank blickte zur Tür seines Hauses. »Um Sie festzuhalten«, antwortete er und blinzelte listig. »Inzwischen dürfte Tomamai dem Jungen seinen Trank gegeben haben.«
    »Sie sind wahrhaftig der größte Gauner von allen!« sagte Hansen böse. »Das verspreche ich Ihnen, Charlie: Noch einmal falle ich auf Ihre rhetorischen Tricks nicht herein!«
    Tomamai hatte sich wieder ans Bett des Jungen gesetzt. Volker lag mit offenen Augen da, aber es waren Augen ohne Erkennen, ohne Reaktion; zwei gläserne kleine Kugeln,

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