Die Nacht des schwarzen Zaubers
Torpedo im Rohr steckt, und wenn wir das Ding ins Wasser bringen und es ist funktionsfähig, dann könnte man, sobald Claudia freigelassen und in Sicherheit ist, das Schiff mit den verdammten Waffen …«
»Das ist totaler Wahnsinn«, sagte Hansen entrüstet. »Fred, Sie sind anscheinend der einzige Normale unter uns. Was sagen Sie dazu?«
»Ich bedaure sehr, nicht in einem U-Boot ausgebildet worden zu sein, Sir.« Der junge Leutnant lächelte zurückhaltend. »Ich würde mich sofort hineinsetzen, schon wegen Claudia …«
»Liebe macht also doch verrückt!« sagte Hansen bitter. »Leute, das Boot liegt fast dreißig Jahre hier fest. Das ist ein verrosteter, verrotteter, verschimmelter Zossen!«
»Sehen wir es uns an. Wie lange braucht man bis zur ›Süßen‹?« Baumann sprang auf. Dr. Rank hob die Schultern.
»Mit Ihrem kleinen Außenbordmotor etwa fünf Stunden. Die Insel ist nur eine kleine Erhebung im Wasser. Völlig unbewohnbar. Deshalb betritt sie auch keiner. Davon gibt es hier eine Menge. Wollen wir sofort fahren?«
»Da funktioniert doch nichts mehr. Kein Motor, keine E-Maschine, keine Lenzpumpe, kein Anblasen!« Hansen blieb sitzen. »Diesen Wahnsinn mache ich nicht mit.«
»Gut! Dann paß auf Marga auf!« sagte Baumann. »Kommen Sie, Doktor, wir packen es!«
»Und ich begleite Sie!« sagte Fred Dylon. »Vielleicht kann ich mich auf dem zweiten Sitz nützlich machen.«
»Ein Komplott also?« Hansen sprang auf. »Wenn einer auf dem zweiten Sitz klebt, bin ich das! Nein, Leutnant, Sie bleiben hier beim Funkgerät und lenken die Kerle da drüben ab. Um diesen Sarg unter Wasser zu fahren, dazu gehört ein bißchen mehr als jugendliche Begeisterung.«
»Und sagen Sie bitte meiner Frau noch nichts davon«, sagte Baumann an der Tür. »Erfinden Sie irgendein Märchen über unser Verschwinden.«
»Ich werde mein Bestes tun, Sir.« Fred Dylon erhob sich, stand stramm und grüßte militärisch, obwohl er Zivil trug. »Viel Glück, Sir.«
»Und du glaubst wirklich, daß ich diesen Wahnsinn mitmache?« fragte Hansen draußen auf der Terrasse.
»Du bist ja schon dabei!« Baumann grinste. »Als ob du mich allein in das Boot klettern ließest!«
Sie erreichten die winzige Insel Douceur schon nach vier Stunden. Es war erstaunlich, daß Dr. Rank bei aller Dunkelheit genau die Richtung hielt, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte auf dem offenen Meer gab. Plötzlich tauchte das Eiland auf, eine Felseninsel fast ohne Bewuchs, ohne Süßwasser, ohne fruchtbaren Boden, in Jahrmillionen aus der aufbrechenden Erde hochgedrückt und erstarrt. Dann hatte das Meer an ihr gefressen und sie rundum zernagt. Auch hier war im seichten Wasser ein Korallenring entstanden.
»Hier hat nie ein U-Boot anlegen können!« sagte Hansen.
»Warten wir's ab! Es gibt eine Fahrrinne, einen Grabeneinbruch, da kann man an die Insel heran, bis direkt vors Ufer!«
Sie brauchten die Rinne nicht zu suchen. Mit dem flachen Boot kamen sie heil über die Korallenriffe und legten an der winzigen Felseninsel an. Im Osten färbte sich der Himmel milchig, der neue Tag begann. Dr. Rank sprang als erster an Land und hob den Kopf, als wäre er ein Hund, der einer Spur nachschnupperte. Dann schüttelte er den Kopf. »Hier ist es nicht. Eher auf der anderen Seite.«
»Es ist ja kein weiter Weg«, sagte Baumann. Hansen zog das Boot auf den schmalen Uferstreifen. Dahinter begann eine Steinwüste, die sich in einem flachen Bergkegel fortsetzte. Hunderttausende von Vögeln nisteten hier. Der Berg war glitschig von Vogelmist.
Der Weg zur anderen Seite bestand aus lauter Felsen und Steinblöcken. Sie kamen in ein völlig zerklüftetes Gebiet, und Dr. Rank sagte laut: »Hier ist es!«
»Wo?« fragte Hansen.
»Unter einem überhängenden Felsen. Gut geschützt.«
Die Sonne war jetzt aufgegangen. Silbernes Morgenlicht ließ das Meer glitzern. Sogar die Insel Douceur besaß in diesem Augenblick ihre Schönheit. Riesige Vogelschwärme stiegen auf, sich im Meer ihre Nahrung zu suchen.
»Die Vögel werden das Boot zugeschissen haben!« sagte Hansen. »Deshalb sehen wir es nicht.« Doch dann standen sie plötzlich vor dem überhängenden Felsen, und unter dem schützenden Dach lag, grau angestrichen und von Vogelmist besprenkelt, das Boot. Der kleine Doppelturm, der eher wie eine Blase aus Blech aussah, reichte bis knapp unter den Felsen. Die Luke war geschlossen. Vorn am Turm erkannte man noch den Namen, den sie mit weißem Lack draufgemalt hatten: Rosemarie.
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