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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hohen Greisenstimme. »Komm her!« Seine Hände zuckten. Es war, als sandten sie unsichtbare Ströme durch Sathras Körper, der wie unter elektrischen Schlägen bebte. »Komm …«
    Erstarrt zur Leblosigkeit und doch beherrscht von den unheimlichen Kräften, die aus Tomamais Händen zuckten, entfernte sich Sathra langsam von Margas Bett; sie drehte sich um, steckte den Dorn wieder in den Korb, deckte das Tuch darüber und ging auf Tomamai zu: ein Automat mit menschlichem Körper, ein Mechanismus aus Blut, Knochen und Fleisch, und doch jeglichen Eigenwillens beraubt. Mit staksigen Schritten verließ sie das Zimmer und ging wie blind an Volker vorbei, der sie fassungslos ansah. Tomamai folgte ihr. Er hatte jetzt die Hände gesenkt, doch sein Blick war auf Sathras Nacken geheftet – ein unbarmherziger Leitstrahl, der ihr Tun beherrschte.
    »Du vergißt alles, mein kleiner Freund«, sagte Tomamai im Vorbeigehen.
    »Ich schwöre es dir, Tomamai.«
    »Du wirst gesund werden und stark wie ein Baum, hart wie ein Fels.«
    »Ich weiß es, Tomamai.«
    »Und keine Fragen!«
    »Ich frage nicht«, wiederholte Volker. Er schloß hinter Tomamai die Tür und sah zum Fenster hinaus. Sathra ging willenlos den Weg hinab ins Dorf, unmittelbar der hellen Morgensonne entgegen. Das Meer glitzerte und blendete die Augen. Bald verschwanden sie hinter einer Biegung des Berges im Palmenwald. Unten am Strand stießen die ersten Fischerboote ins Wasser. Die Baukolonnen für das Haus der Baumanns rückten unter Leitung des dicken Balolonga aus.
    Den Weg, den Tomamai und Sathra gingen, kannte niemand. Er endete vor einer Wand hoher Büsche, aber es gab einen Durchschlupf, verdeckt von wildem Rankengewächs. Dahinter begann jenes unbekannte Land, das niemand zu betreten wagte. Die Götterbilder, groß, mit grellbemalten Fratzen, aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt, bewachten den heiligen Bezirk. Mit einem plötzlichen Ruck blieb Sathra vor einem der Götterbilder stehen, das Haupt stolz erhoben. Tomamais Blick, dieser unfaßbare, lautlose, aus einer unheimlichen Kraft geborene Befehl, ließ kein Entkommen zu. Es gab keinen eigenen Willen mehr; der Meister hatte ihr Leben in seiner Hand. »Jetzt tu's!« sagte Tomamai langsam. Er kämpfte um jedes Wort, und jedes Wort machte ihn um eine Ewigkeit älter. »Sathra, meine Tochter … du mußt es tun …«
    Sie stand hochaufgerichtet vor der Götterfratze und starrte in den rotbemalten Rachen des Götzen. Der frische Wind, der vom Meer her wehte, spielte in ihrem Haar, das jetzt ihr unbewegtes maskenhaftes Gesicht beinahe verdeckte. Eine Göttin unter Göttern?
    Ganz langsam, völlig unter Tomamais Zwang, zog sie das Tuch vom Korb. Sie griff hinein, nahm den Dorn und ließ den Korb fallen. Mit der freien Hand setzte sie wie in Trance den tödlichen Dorn an.
    »Jetzt!« sagte Tomamai. Seine Stimme war unerbittlich. »Tu's, tu's … tu's …«

13
    Es waren zwei Sekunden, die Sathra das Leben retteten. Zwei winzige Sekunden des Zögerns, als ihr Wille noch einmal verzweifelt gegen die hypnotische Macht Tomamais ankämpfte. Es war ein Aufbäumen des Körpers, ein Flattern der Lider, ein stummer Schrei aus dem halbgeöffneten Mund. Schon berührte die tödliche Waffe ihre Brust … doch genau in diesem Augenblick schmetterte der Doktor sein dröhnendes Trompetensignal über die Insel.
    Vince stand auf seiner Terrasse und begrüßte den Tag. Sie waren eben mit dem Katamaran zurückgekommen und hatten Volker schlafend vor der Tür seiner Mutter angetroffen. Das Gewehr lag geladen in seinem Arm. Marga erwachte nicht, als Baumann auf Zehenspitzen an ihr Bett trat, sie auf die geschlossenen Augen küßte und wieder aus dem Zimmer schlich.
    »Muß das sein!« sagte er zu Rank vorwurfsvoll. »Marga schläft so fest. Jetzt wecken Sie sie auf.«
    Hansen saß vor dem tragbaren Funkgerät und hatte Verbindung zu Fred Dylons neuer Funkstation aufgenommen. »Was Neues, Leutnant?« fragte er. »Nichts von Claudia?«
    »Nichts!« Dylons Stimme zitterte vernehmbar. »Aber von Bob Skeys Jacht läuft ungeniert ein reger Funkverkehr weiß Gott wohin! Alles verschlüsselt. Ein Kode … Zahlenketten, sonst nichts. Ich glaube, Sie haben recht: Der schöne Bob hat die Finger ganz tief in dieser Sache drin!«
    »Sie haben nichts nach Mahé gemeldet, Fred?«
    »Kein Wort!« Dylons Stimme klang unsicher. »Ich setze doch Claudia nicht aufs Spiel -«
    Im heiligen Bezirk schrak Tomamai zusammen, als der blecherne, schmetternde

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