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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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ihre Herren. Sie winselten und hielten ihre Schwänze zwischen den Beinen eingeklemmt.
    Es waren, so fürchterlich sie auch waren, eben doch nur Hunde.
    Plötzlich bemerkte der Professor neben sich eine Bewegung.
    Der Mann aus der Vergangenheit, Wessel Kipp, fing an zu tanzen.
    Langsam und mit einem entspannten Lächeln im Gesicht, hob er die Beine und tanzte eine Art Stepptanz. Er lächelte dem Professor zu und deutete mit dem Arm in die Richtung, aus der die Musik kam.
    " Horla ," war das einzige Wort, dass dem Professor bekannt vorkam. Aber er konnte es nicht genau einordnen. Dunkel erinnerte er sich an Sagen und Mythen, die von einer wilden Schar toter Seelen berichteten, die angeführt von einer Göttin, der Herrin der Tiere, durch die Nacht zogen.
    Der Streifen dort hinten wurde breiter, er nahm nun den Horizont in seiner ganzen Breite ein.
    Die Musik wurde lauter.
    Ein Durcheinander von Schellen, Flöten, Trommeln, unterlegt von einem dunklen Bass brandete gegen ihre Ohren.
    Der Lärm war ohrenbetäubend.
    Eric erinnerte sich an das Gefühl, dass er immer hatte, wenn er in der Nähe von Kirchenglocken stand. Es war so laut, dass die Grenzen zwischen akustischer und optischer Wahrnehmung verschwammen.
    Alles um ihn herum schien in einer unnatürlichen Stille zu erstarren, alle Nebengeräusche wurden verschluckt von dem rhythmischen Lärm und seine Umwelt gerann zu einem stummen Bild.
    Wessel tanzte, der Professor schaute erstaunt zum Horizont. Nur das Monstrum tobte und warf die Arme gegen den unterirdischen Himmel.
    Es brüllte.
    Aber sein Gebrüll ging unter im Lärm der Musik.
    Es hatte ihnen den Rücken zugedreht und die kleine Gruppe von Menschen vollkommen vergessen. Sie waren unwichtig. Sein Schicksal wurde besiegelt durch das, was von dort vorne kam. Wie die Ratten das sinkende Schiff verließen, so begannen die höllischen Insekten aus dem Berg nach allen Seiten hin, vorbei an den Füßen Wessels und des Professors, weg zu krabbeln.
    Nun konnten sie Einzelheiten des Zuges erkennen.
    Auf der ganzen Breite des Horizontes kamen ihnen Tausende von Männern und Frauen entgegen, gekleidet in der Art der verschiedensten Epochen. Geköpfte in der Tracht der Zeit Wessels, die blutigen Hälse stolz gereckt, schlugen mit ihren Köpfen die Trommeln, neben sich diejenigen, die auf dem elektrischen Stuhl der neueren Epoche ihre Verbrechen gesühnt hatten. Die verfaulten Leiber der Pesttoten schritten neben den ausgemergelten Körpern, die die Syphilis zurückgelassen hatte. Ausgeblutete, blasse Opfer unzähliger Kriege kamen im Verein mit den Unfallopfern modernen Mobilitätswahns dahergeschritten . Kinder aus allen Epochen, von den Eltern erwürgt, an Krankheiten zugrunde gegangen, hielten die im Kindbett gestorbenen Babys in den Armen. Dazwischen drängten sich die Alten, die ein friedliches Ende in Lehnstühlen und Krankenhausbetten gefunden hatten.
    Dann kamen die Tiere.
    Längst ausgestorbene Arten, tasmanische Wölfe, siebirische Bären, Hunde, Katzen, Schafe, Mammuts, alles, was in Noahs Arche Schutz gefunden hatte. Schwärme von Vögeln legten eine dichte, dunkle Wolke über den Zug.
    Sie alle zogen auf die Lebenden zu.

 
    ***

 
    Der Zug erreichte sie.
    Dicht drängten sich die Männer, Eric, der Professor und Wessel, zusammen. Mit einer Mischung aus Furcht und Ungläubigkeit aber vollkommen hypnotisiert von der alles zerschmetternden, nie gehörten Musik, standen sie zusammen und ließen den Zug über sich hinweg rollen.
    Jetzt waren sie mitten unter ihnen.
    An ihnen vorbei flutete der Zug der Toten wie eine riesige Welle vorbei.
    Eric konnte die Kleidung einer bleichen Frau berühren.
    Eine Wasserleiche.
    Deutlich spürte er den rauhen Stoff ihres weißen Nachthemdes. Der Stoff war noch naß .
    Zwei Kinder gingen an ihm vorbei.
    Mit der ganzen Kraft ihrer kleinen Arme schlugen sie auf kleine Triangeln ein und trugen so ihren Teil zur Musik bei.
    Ein Kopfloser schlug mit seinem Schädel auf eine große, mit Wimpeln besetzte Trommel. Der Schädel der immer wieder auf das gespannte Leder geschlagen wurde, hatte einen konzentrierten Gesichtsausdruck.
    Niemand aus dem Zug schien die Männer zu bemerken.
    Mit ernster Feierlichkeit zogen sie vorbei.
    Verwundert blickte sich Eric um.
    Plötzlich, in der Mitte des Zuges, bemerkte er etwas Großes auf sich zukommen.
    Er sah, dass die mythischen Teilnehmer des Zuges, die Zwerge und Elfen, die Riesen und Faune einen Thron transportierten, der bisher im Zug

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