Die Nacht, in der er zurueckkehrte
sie in Sicherheit bringen sollen, zu Johns Familie in die Staaten. Stattdessen nutzte er ihre Rachegelüste, um selbst in Deckung zu bleiben. „Die Mutter war eine Freundin von mir“, murmelte er undeutlich.
„War?“
„Sie … ist letzte Woche gestorben. Sie hat mir das Sorgerecht übergeben, bevor sie starb.“
Seitdem hatte er Angst davor, die Augen zu schließen, weil er wieder die öde Lagerhalle vor sich sah, mit den herumliegenden Leichen, einschließlich der von Johns Mörder, und Soqui in einer Blutlache auf dem Zementboden.
Er war sicher, dass sie geahnt hatte, dass sie in einen Hinterhalt geraten würden, und dass es schlimm enden würde. „Ich habe die Papiere in der Spüle versteckt“, hatte sie undeutlich gemurmelt, und ihre Hand lag bereits eiskalt in seiner. „Für das Sorgerecht. Bring Isabella zu Johns Familie. Dort ist sie sicher. Schwör es mir, Francisco.“
Ihre ersterbende Stimme schien noch immer in seinem Kopf nachzuhallen.
Zumindest das war er Soqui schuldig. Wenn er sie schon nicht hatte beschützen können, würde er wenigstens dafür sorgen, dass es ihrem Kind gut ging.
„Es ist alles legal, Maggie.“ Er hatte bei diversen Botschaften Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit die Bearbeitung schneller ging. „Sie hat eine Tante. In Boise. Die holt sie in ein paar Tagen ab.“
Maggie untersuchte die klaffende Wunde unter seinen Rippen. Obwohl sie sehr sanft vorging, schrie er vor Schmerz auf.
„Tut mir leid, aber ich muss das ein bisschen sauber machen, bevor Jake es sich ansieht.“
„Okay.“
„Warum hast du das nicht in Kolumbien untersuchen lassen?“
Weil er Belle möglichst schnell außer Landes bringen musste, bevor der verrückte Bruder des Drogendealers von ihr erfuhr. Und bevor all die Leute, die er bestochen oder bedroht hatte, ihn daran hindern konnten, mit ihr das Land zu verlassen.
„Dann hätte ich auf deine zärtliche Fürsorge verzichten müssen, Maggie.“
Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber. So war er, immer einen Scherz auf den Lippen. „Was machst du, nachdem Jake dich zusammengeflickt hat? Gehst du wieder auf Tour durch irgendwelche schäbigen Bars? Um nächstes Mal vielleicht mit jemand zusammenzugeraten, der besser zielen kann?“
Wenn er das wüsste. Er war so in sein Lügennetz verstrickt, dass er nicht die leiseste Idee hatte, wie er da wieder herauskäme.
Er war ziemlich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis irgendjemand es schaffte, ihn zu töten. Dabei hatte er keinerlei Todessehnsucht. Er war einfach nur realistisch, nach allem, was er in den letzten zehn Jahren seines Kampfs gegen den Drogenterrorismus erlebt hatte. „Ich habe gehört, dass ihr süße Kinder habt“, sagte er zu Maggie.
Ein ziemlich durchsichtiges Ausweichmanöver, aber unter den gegebenen Umständen brachte er nichts Besseres zustande.
„Ja, ein Mädchen und einen Jungen. Die halten uns ganz schön auf Trab.“
„Freut mich für euch.“ Er hatte Mühe, die Augen offen zu halten.
„Vielleicht solltest du darüber nachdenken, eine Weile hierzubleiben, während du dich von der Verletzung erholst. Easton ist viel zu oft allein in dem alten Farmhaus, seit Jo gestorben ist.“
Das hatte gerade noch gefehlt, dass sie ihm noch mehr Schuldgefühle machte, als er ohnehin schon hatte. „Mimi und Brant besuchen sie doch öfters, und auch Quinn mit seiner Familie.“
Er war der sprichwörtliche verlorene Sohn. Der, mit dem Jo und Guff die meisten Sorgen gehabt hatten. Er bedauerte das sehr. Kurz bevor Jo starb, hatte er ihr endlich die Wahrheit über sein Leben erzählt, doch das machte die jahrelange Sorge nicht wett.
„Familie ist alles“, erwiderte Maggie. „Ich habe in den letzten paar Jahren gelernt, dass wir so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen sollten.“
Er dachte an seine merkwürdige Familie. All die schwierigen Kinder, die Jo und Guff aufgenommen hatten. Jugendliche Straftäter, Waisen, Missbrauchsopfer. Irgendwie war es ihnen trotzdem gelungen, eine Familie zu bilden.
Das Herz der Familie war immer Easton gewesen. Schon als kleine Göre mit blonden Zöpfen, als sie mit den älteren Jungs auf Abenteuertour gegangen war. Unwillkürlich berührte er das E auf seinem Windrosen-Tattoo und verzog gleich darauf vor Schmerz das Gesicht.
„Du sollst stillliegen, oder willst du mir unter den Händen wegsterben?“, schimpfte Maggie.
„Und mir entgehen lassen, von einer hübschen Krankenschwester behandelt zu werden? Da
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