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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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bin ich überzeugt, es hätte nur noch eines geringen Anstoßes bedurft, und ich wäre nicht nach Issy gegangen.
    Als ich in die Nähe der Ile St. Germain gekommen war, bog ich links ab. Es war inzwischen dunkel genug geworden.
    Ich ging durch die Route des Moulineaux. Hier standen kleine, moderne Villen in großen Gärten; der Abstand von einem Haus zum andern betrug mindestens achtzig bis hundert Meter.
    Eins von diesen Häusern gehörte Alexandre. Es lag etwas tiefer als die anderen, und von der Straße führte eine betonierte Auffahrt steil zum Keller hinunter, zur Garage.
    Alexandre pflegte, wenn er abends heimkam, den Wagen unmittelbar vor dem Gartentor mit laufendem Motor stehen zu lassen. Dann stieg er aus, öffnete das Gartentor, ging zur Garage hinunter und schob das schwere Eisentor, das wie eine Jalousie konstruiert war, hoch. Hierauf kehrte er zurück und fuhr den Wagen vorsichtig die steile Rampe hinab in die Garage.
    Auf dieser Gewohnheit Alexandres hatte ich meinen Plan aufgebaut. Ich wollte in dem Augenblick, wenn er zur Garage hinabging, leise in seinen Wagen steigen — er fuhr eine große schwere Limousine — und dann, wenn er unten an dem Stahltor angelangt war, Gas geben und ihn mit dem Wagen am Tor zerschmettern. Man würde ihn finden, und mit neunundneunzig Prozent Sicherheit würde man es für einen Unfall halten. Immerhin — so hatte ich es mir ausgerechnet — würde ich Zeit genug haben, Frankreich für immer zu verlassen.
    Ich ging an dem Haus vorbei. Zu meiner Rechten lag der Parc d’Issy, ein großer Garten mit vielen Bäumen und Gebüschen. Gegenüber von Alexandres Haus befand sich gerade so ein dichtes Oleandergebüsch, hinter dem ich mich schon oft verborgen hatte. Außerdem war die Einfahrt zur Garage auch noch links und rechts von hohen, dichten Sträuchern eingefaßt; also Verstecke genug.
    Das Haus lag in völliger Dunkelheit, wie ich es nicht anders erwartet hatte. Wenn Alexandre nicht ausgerechnet heute unterwegs eine Panne hatte, mußte er fünf Minuten vor zwölf Uhr hier ankommen.
    Es war erst kurz nach zehn. Ich hatte also noch fast zwei Stunden Zeit.
    Ich ging wieder zur Seine zurück und setzte mich in eine kleine Weinkneipe. Mein Geld reichte eben noch für einen billigen Schoppen. Es waren nur wenige Leute da, und es war nicht sehr hell. Ich trank den Wein in kleinen Schlucken und dachte nochmals über alles nach. Als ich nach meinen Zigaretten griff, bekam ich die Visitenkarte in die Finger. Ich riß sie ungelesen in kleine Fetzen und warf sie in den Aschenbecher. In einer Ecke stand ein alter Radioapparat, und eine Weile hörte ich zu. Es war eine der üblichen Werbesendungen aus Luxembourg.
    Dann klopfte ich an mein Glas, und die ältere Frau, die mir den Wein gebracht hatte, erschien.
    »Noch einen?«
    »Nein, danke. Zahlen!«
    »Zahlen«, nickte sie, »einen Augenblick!«
    Sie verschwand, und gleich darauf stand ein Mann an meinem Tisch.
    »Monsieur wollen zahlen — ja — sind Sie — natürlich bist du’s!«
    Es war einer von meinen Bekannten aus Lyon, der wegen Zuhälterei kurze Zeit gesessen hatte.
    »Das ist aber nett«, grinste er, »daß du mich besuchst. Vor vierzehn Tagen bin ich entlassen worden.«
    Er setzte sich zu mir und winkte der Frau.
    »Zwei Glas Absinth.«
    »Was treibst du denn jetzt?« fragte er mich.
    »Eigentlich nichts«, sagte ich, » es ist ein Zufall, daß ich hierher gekommen bin.«
    Ich goß den Absinth hinunter, obwohl mir Anis und Fenchel widerlich sind. Er ließ die Gläser sofort von neuem füllen.
    »So«, sagte er, »du hast also noch keine Arbeit?«
    »Nein.«
    Er kratzte sich nachdenklich den Kopf.
    »Mal sehen, ob ich was für dich tun kann.«
    Er musterte mich. Er hatte den verschwommenen Blick der Absinth-Trinker, und ich wußte, daß er zeitweise an epileptischen Anfällen litt.
    »Du warst früher ein feiner Herr«, murmelte er, »und du siehst immer noch ganz gut aus. Kann sein — sag mal, hast du inzwischen schon wieder eine heiße Sache gedreht?«
    »Nein.«
    »Das ist gut. Wir könnten jemand wie dich gebrauchen. Und du könntest leicht ein Stück Geld verdienen. Hast du Lust?«
    »Offen gestanden«, sagte ich, »wollte ich ins Ausland.«
    »Großartig!« rief er erfreut. »Das ist genau das, was wir suchen. Du könntest nach Spanien gehen und dort ein kleines Hotel übernehmen.«
    Ich tat erstaunt.
    »Ein Hotel in Spanien?«
    »Ja. In Bilbao. Keine gefährliche Sache. Wir brauchen dort nur einen zuverlässigen

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