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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sagte:
    »Du hast natürlich eine fürchterliche Wut, was?«
    »Und ob«, hatte ich gesagt, »ich bin unschuldig verurteilt.«
    »Du wirst es schon verdient haben, mein Junge. Aber reden wir von etwas anderem. Soll man dir irgend etwas besorgen?«
    »Ein Schachspiel.«
    Er hatte traurig mit den Achseln gezuckt.
    »Das ist verboten. Und außerdem — woher soll ich ein Schachspiel nehmen? Wir bekommen für euch doch kein Geld. Sogar die Spielkarten muß ich mir in Nachtlokalen für euch zusammenbetteln.«
    Eine Woche später war er wiedergekommen, und als er meine Zelle verlassen hatte, entdeckte ich unter meinem Strohsack ein kleines Schachspiel. Weiß Gott, in welchem Augenblick er es dorthin praktiziert hatte.
    Ein neuer Lichtschein riß mich aus den Erinnerungen zurück. Das Schachspiel hatte mich neun Jahre lang vor der totalen Verblödung bewahrt. Was ich jetzt vorhatte, war auch nur eine Art von Schachspiel. Ich tat einen Zug und setzte meinen Gegner damit matt, ein für allemal.
    Das Auto kam langsam näher, und ich duckte mich zum Sprung. Kurz vor meinem Versteck bog es etwas nach links aus, und für den Bruchteil einer Sekunde blendeten mich seine Lichter. Dann drehte es nach rechts und blieb mit leisem Knirschen vor dem Gartentor stehen. Es war Alexandres schwere Limousine.
    Ich sah ihn aussteigen. Er war keine zehn Meter von mir entfernt. Sogar die Wagentür ließ er offenstehen; leise tuckernd lief der Motor. Er hätte es nicht bequemer machen können.
    Er hatte einen grauen Anzug an und trug keinen Hut. Im Licht seiner eigenen Scheinwerfer sah ich, wie er das Schlüsselbund aus der Hosentasche zog, und ich hörte das leise Klirren der Schlüssel.
    Er schloß das Gartentor auf und hakte die beiden Flügel ein, dann ging er zur Garage hinab.
    In diesem Augenblick sprang ich vor. Während des Laufens holte ich die beiden Stofffetzen aus der Tasche, die ich mir von Dedé besorgt hatte. Ich wollte damit das Steuer und den Ganghebel anfassen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
    Gerade, als ich mich lautlos in den Wagen geschwungen hatte, war Alexandre unten vor der Garagentür angekommen, und in dem Augenblick, als ich Gas geben wollte, hörte ich einen eigentümlichen, harten, kurzen Laut. Es klang wie ein Schuß. Ich zögerte eine Sekunde. Auch Alexandre schien etwas gehört zu haben. Er richtete sich auf, und eben wollte ich losfahren, als ich sah, wie er mit einem merkwürdigen Griff ins Leere zusammenbrach!
    Ich wartete noch einen Augenblick, dann sprang ich aus dem Wagen und lief zur Garage hinunter. Da lag Alexandre, und aus seinem Mund kam schaumiges, hellrotes Blut. Ich drehte ihn auf den Rücken. Es war mir nun egal, ob man mich sah oder nicht. Kein Mensch konnte mich verdächtigen. Ich überlegte auch nicht, wer ihn erschossen haben konnte.
    Auch auf seiner linken Brust sah ich nun Blut. Soviel ich feststellen konnte, war er tot.
    Ich durchsuchte seine Jackentaschen, fand aber die Brieftasche nicht. Endlich zog ich sie aus seiner Gesäßtasche. Ich fand ein ansehnliches Bündel Banknoten darin, einen Stoß Papiere und eine Fotografie von Germaine.
    Bis auf einige hundert Francs und seine persönlichen Ausweise steckte ich alles zu mir.
    Als ich mich aufrichtete und ihn so vor mir liegen sah, begann ich zu überlegen, wer ihn mir vor der Nase weg erschossen haben könnte, und zugleich überkam mich ein Gefühl großer Erleichterung. Ich hatte es nicht selber zu tun brauchen!
    Dann aber überlegte ich mir, daß ich jetzt genau so gut der Mörder hätte sein können, wenn der andere fünf Sekunden später dran gewesen wäre. Ich fühlte mich dem Unbekannten irgendwie verbunden; denn erstens hatte er genau das getan, was ich hatte tun wollen; und zweitens hatte er mich davor bewahrt, ein wirklicher Mörder zu werden.
    Ich richtete Alexandre an der Garagentür ein wenig auf, kehrte zum Wagen zurück und fuhr ihn im ersten Gang mit Vollgas gegen das Tor. >Das<, dachte ich, »konnte ich wenigstens für den Mörder tun.<
    Durch den Anprall waren die Scheinwerfer zertrümmert worden; es war dunkel um mich her. Ich ließ den Zündschlüssel stecken, vergewisserte mich, daß ich meine beiden Lappen nicht verloren hatte, und stieg aus.
    Ich lauschte zur Straße hinauf, die von hier aus nicht zu sehen war.
    Zwei Männer, die sich lebhaft unterhielten, gingen vorüber.
    Ich drückte mich in die Sträucher neben der Einfahrt, wobei ich plötzlich auf etwas Hartes trat. Ich bückte mich, tastete und hob eine

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