Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
Vom Netzwerk:
zusammenzufließen. Er versuchte, sich vorzustellen, was wohl in den letzten paar Monaten geschehen sein mochte, um eine Persönlichkeit zu zerschmettern, von der Sara gedacht hatte, sie sei in Stein gemeißelt, und was diese neue, völlig fremdartige Frau hatte entstehen lassen.
    »Erinnern Sie Alexander daran, dass wir Verwendung für ihre Schwester haben«, hatte die kalte Stimme gesagt. Mickey sog scharf die Luft ein und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was das bedeuten mochte. Oder was unter dem Druck jener geheimnisvollen Drohungen mit Saras Seele geschehen könnte. Die Aufzugskabine kam zitternd zum Stillstand, und er zog, dankbar für die Chance, sich wieder bewegen zu können, die Tür aus Gittergeflecht auf.
    Die Lichter in seinem Apartment waren zu hell, erzeugt von Reihen von Deckenstrahlern, die zu dem Büro passten, das diese Räumlichkeiten einmal beherbergt hatte. Im grellen Licht wirkte der große Raum kahl und schäbig. Mickey war einen Augenblick lang desorientiert, sah den Raum durch die Augen eines Fremden: ein Durcheinander aus Tonbandgeräten und Gitarren, ausgeblichene Laken auf dem nicht gemachten Futon, hingekritzelte Graffiti in grellen Neonfarben, die eine Wand und den uralten, laut rumorenden Kühlschrank bedeckten – zurückgebliebene Spuren eines ehemaligen Mieters. Er versuchte, nicht in die von seinem Standpunkt aus am weitesten entfernte Ecke zu blicken, wo einmal Ricks Sachen gelegen hatten.
    »Nun, da wären wir. Mein Zuhause«, sagte er und hoffte, dass sein sarkastischer Tonfall seine plötzliche Irritation verbarg. »Nehmen Sie Platz, greifen Sie sich ein Bier, fühlen Sie sich wie zu Hause.« Er setzte sich auf das ungemachte Bett und wünschte sich im gleichen Augenblick, es nicht getan zu haben, weil er jetzt zu ihnen aufblicken musste.
    Einen Augenblick später setzte sich Ardeth auf den Sessel in der Ecke. Rossokow nahm auf dem Hocker Platz, auf dem Mickey für gewöhnlich saß, wenn er etwas aufnahm. Einen endlosen Augenblick lang herrschte Stille. »Also schön, was machen wir jetzt?«, fragte er, als er das Schweigen nicht länger ertragen konnte.
    »Ardeth wird zu dem Treffpunkt gehen, und Sie und ich werden ihr folgen«, sagte der grauhaarige Mann.
    »Die haben gesagt, dass sie Sie beide haben wollen«, erinnerte Mickey ihn. »Was, wenn sie Sara töten, weil nur einer von Ihnen erscheint?«
    »Sara ist die Waffe, mit der sie Ardeth zwingen werden, ihren Wünschen nachzukommen. Ardeth wiederum ist die Waffe, die sie versuchen werden, gegen mich zu benutzen. Sie können es sich nicht leisten, eine von beiden zu gefährden.«
    »Selbst wenn sie mir glauben«, unterbrach Ardeth, »werden sie darauf warten, dass du irgendetwas zu unternehmen versuchst. Sie werden Wachen aufstellen. Vielleicht einige von diesen Maschinen mitbringen.«
    »Natürlich. Aber Mr. Edmunds werden sie nicht erwarten. Sie bauen darauf, dass es kurz vor Sonnenaufgang ist, und dass ich mich tagsüber nicht im Freien bewegen kann. Mit Ihnen«, dabei machte er eine leichte Verbeugung zu Mickey hinüber, »als meinem Steuermann, meinen Augen und Ohren, gibt es keinen Grund, weshalb wir ihnen nicht auch bei Tageslicht folgen sollten. Ich werde zwar erst angreifen können, wenn es Nacht ist, aber bis dahin werden wir Zeit gehabt haben, sie zu beobachten und einen brauchbaren Plan auszuarbeiten. Sie werden wohl nicht damit rechnen, dass wir uns in irgendeiner Weise Hilfe besorgen.«
    »Ich werde also einfach zulassen, dass sie mich mitnehmen. « Ihre Stimme klang so angespannt, dass Mickey sie scharf ansah, von dem Schmerz und der Furcht, die er zum ersten Mal aus dieser heraushören konnte, so überrascht, dass all die Fragen verblassten, die ihm durch den Kopf gingen. Vielleicht war ihre Fremdheit, das kühle Selbstvertrauen, unterstrichen von ihrer dunklen Kleidung, trotz allem nur eine Illusion. Vielleicht sollten die dunklen Gläser mehr als nur das rote Feuer in ihren Augen verbergen.
    »Du musst. Und du darfst sie auch nicht erkennen lassen, worin unsere wahre Stärke liegt – nicht, solange nicht dein Überleben davon abhängt. In dem Punkt können sie immer noch nur vermuten: Sie haben nichts als die alten Mythen und Legenden zur Verfügung.« Das holte die Fragen zurück. Es gab hier noch Dinge, die sich Mickeys Verständnis entzogen. Etwas, das jedes Mal, wenn er glaubte zu verstehen, sich wie ein Aal seinen Fingern entzog. Ardeth nickte langsam, aber mit ihren Händen presste sie ihre

Weitere Kostenlose Bücher