Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
zufällig Blut der Gruppe B positiv?«
Sie wird schon wieder. Dazu braucht sie kein Blut. Sie hat nur Angst und steht unter Schock. Sie denkt nicht klar. Einen Augenblick lang klammerte sie sich an all die Einwände, aber dann spürte sie, wie die Sicherheit, die diese ihr vermittelten, zerfaserte und schließlich dahinschwand.
»Wie viel?«, fragte sie schließlich vorsichtig.
»Nicht sehr viel. Nicht so viel, dass es demjenigen schaden würde.« Sara sah schuldbewusst zur Tür und wartete darauf, dass Mickey oder Rossokow sie unterbrechen würden. Wünschte, dass sie es tun würden. Aber die Tür blieb geschlossen, und sie sah wieder in das bleiche, verzweifelte Gesicht ihrer Schwester. Da war keine Spur mehr von der selbstsicheren, wilden Frau, die genüsslich auskostete, was in jener Nacht in der Irrenanstalt geschehen war. »Sara, wenn ihm etwas zustieße, wäre ich alleine. Für immer. Diese letzten drei Monate waren wie ein schrecklicher Traum, ein Traum, der einem Angst macht und einen zugleich so fasziniert, bis man nicht mehr weiß, ob man lieber aufwachen oder weiterträumen möchte. Und so wird es immer weitergehen … Jahrhunderte, ewig. Wenn ich ihn wieder verliere …« Sie schauderte, und der Griff, mit dem sie Saras Hand festhielt, zog sich brutal zu. »Wenn ich ihn wieder verliere, wäre es besser, wenn die mich umgebracht hätten.«
Einen Augenblick lang wollte Sara sich losreißen, sich vor Ardeths Schrecken zurückziehen und vor dem, was ihre Worte andeuteten. Ich hätte nicht nach dir suchen sollen, ich hätte zulassen sollen, dass du verschwunden bleibst. Der Gedanke durchzuckte sie und löste sich dann in Schmerz auf. Aber das habe ich nicht. Ich habe dich gebeten, nach Hause zu kommen. Und selbst wenn du das nicht kannst, schulde ich dir alles, was ich dir geben kann. »Also schön. Was muss ich tun?«
»Nur dies.« Ardeth nahm ihre Hand in die ihren und drehte sie herum, so dass das Handgelenk freilag. »Hab keine Angst, es wird nicht wehtun.« Sara spürte, wie der warme Mund ihre Haut berührte, und schaffte es, ihren plötzlichen Ekel zurückzudrängen. Es gab einen kurzen, stechenden Schmerz, und dann nichts, nur ein Druckgefühl und die Wärme von Ardeths Mund. Es ist nicht schlimmer als Blutspenden, sagte sie sich entschlossen, überhaupt nicht anders. Allerdings gibt es hier natürlich niemanden, der einem nachher Plätzchen und Orangensaft gibt, aber das ist schon in Ordnung, weil es wirklich nicht wehtut. Und dann öffnete sich die Tür.
Ich wünschte, irgendjemand würde mir sagen, was hier eigentlich abläuft, dachte Mickey müde und beobachtete Rossokow und Takara. In dem Laborraum stank es nach Schießpulver, schmorenden Drähten … und etwas Schlimmerem. Sein Magen revoltierte unheilverheißend, aber Mickey entschied sich, das zu ignorieren – er hatte schließlich nichts gegessen, was er hätte erbrechen können. Und jetzt redete Rossokow nach all dem Gemetzel noch davon, weitere Leute zu töten, darunter auch die Frau, die ihnen geholfen hatte. Rookes Stimme hallte in seinem Bewusstsein nach: »Natürlich hat er sie getötet. Sie haben keine Ahnung, was er ist, oder?«
Aber sie weiß es, dachte er voll Neid und beobachtete Takaras Gesicht, als sie zu Rossokow aufblickte. Aber gleich danach kam ein anderer, finsterer Gedanke: Wenn Takara und die anderen sterben müssen, was bedeutet das dann für Sara und mich?
Er griff die Maschinenpistole mit der anderen Hand und erinnerte sich schuldbewusst an das heimliche Vergnügen, das er empfunden hatte, als er die Computer zerstört hatte, und daran, wie es Rossokow erschreckt hatte. Aber was würde er empfinden, wenn der alte Mann jetzt sagte, dass die Wissenschaftler sterben mussten? Und wenn er damit nicht einverstanden war, was würde er dann dagegen unternehmen?
Schließlich lächelte Rossokow traurig und hob die Schultern in einer Geste der Resignation. »Aber wer würde Ihnen schon glauben, wenn Sie wirklich die Wahrheit erzählten?«
Mickey sah, wie Takaras Haltung sich lockerte. Sie senkte den Kopf und ging dann an Rossokow vorbei, um neben dem Mann niederzuknien, der sich die verletzte Schulter hielt. Mickey spürte, wie die Spannung aus seinen eigenen Schultern wich und der Krampf in seinen Fingern sich löste, mit denen er die Waffe umklammerte.
Rossokow fand die Videoaufzeichnung und drehte sie einen Augenblick lang in der Hand, ehe seine langen Finger die CD mit einer Leichtigkeit zerbrachen, die Mickey
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