Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
noch tiefer und hob das Brett etwas an, das die Falltür in dem Dachboden bedeckte. Ardeth sah einen schwachen Lichtschimmer, aber es war ganz still. Er hob das Brett höher, zog es langsam herauf und legte es neben sich auf den Boden. Dann lag er einen Augenblick lang reglos da, den Kopf nach unten gebeugt, und glitt schließlich nach vorne, bis sein Oberkörper in der Öffnung verschwand. Kurz darauf tauchte der graue Kopf wieder auf.
»Alles klar.« Rossokow setzte sich auf, schwang die Beine in die Öffnung und verschwand. Ardeth hörte ein schwaches Dröhnen, als seine Füße den Boden berührten. Als Nächste folgte Sara. Sie klammerte sich mit den Händen am Rahmen der Falltür fest, bis Rossokow unten ihre Beine ergriff und sie hinunterzog. Nach Mickey kam schließlich Ardeth an die Reihe. Als Letzte zog sie das Brett über die Öffnung, wobei Rossokow sie in den Armen hielt, damit sie die hohe Decke erreichen konnte.
Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, blickte sie auf und sah den Korridor hinunter. An einem Ende schimmerte dunkles Holz in der weichen Beleuchtung – das Geländer, das an den Treppenstufen entlang ins Erdgeschoss führte. Zu beiden Seiten des Korridors waren je zwei Türen zu sehen, durch deren Rahmen aber kein Licht fiel. Eine uralte Tapete mit einem verblassten Rosenmuster bedeckte die Wände, aber der weinrote Teppich unter ihren Füßen war dick und kaum abgetreten.
Am anderen Ende des Ganges gab es eine letzte Tür. Auch hier drang kein Licht durch die Ritzen, aber Ardeth wusste, was dahinter war, blickte zu Rossokow auf, und der nickte.
Der Teppich verschluckte ihre Schritte und ermöglichte es ihnen, lautlos bis zur Tür vorzudringen. Rossokows Hand schloss sich über den polierten Bronzeknopf. Ardeth hielt den Atem an, Panik ebenso wie Ungeduld verschlossen ihr die Kehle.
Die Tür gab seufzend nach und ließ sie ein.
34
Der Raum war dunkel, nur von einem Lichtkreis der spinnenartigen schwarzen Lampe auf dem Schreibtisch und dem schwachen grauen Schimmer der dahinter aufgereihten Bildschirme erhellt. Ardeths Augen huschten im Raum umher, suchten im gleichen Augenblick nach einer Bedrohung und nach einer Zuflucht.
Schwere hölzerne Bücherschränke säumten die Wand neben ihr. Darin mischten sich ledergebundene Folianten mit grellbunten Taschenbüchern. Die rechte Wand war von schwarzen Samtvorhängen verhüllt und hielt damit das verblassende Mondlicht fern. Auf der anderen Seite gab es eine weitere Tür, die verschlossen war.
Eine in Schatten gehüllte Gestalt blickte vom Schreibtisch auf. Ardeth nahm eine schnelle Bewegung wahr und huschte instinktiv darauf zu. Ihre Hand schloss sich um ein Handgelenk, das so dünn war, dass ihre Finger es mühelos umschlossen und die Hand daran hinderten, das Telefon zu ergreifen. »Nein«, sagte sie leise und blickte in das weiße, ihr zugewandte Gesicht hinab.
Es war beinahe ein Totenschädel, mit hervorstehenden Wangenknochen und einer Hakennase, die sich unter der kalkigen, trockenen Haut abzeichneten. Ihre Augen waren eingesunken und von dunklen Ringen umgeben. Das zu einem dicken, mahagonifarbenen Zopf geflochtene Haar war von grauen Fäden durchzogen. Aber sie war jünger, als das Totenschädelgesicht vermuten ließ, entschied Ardeth, höchstens vierzig. Sie trug einen Morgenmantel für Herren, dessen ursprünglich scharlachroter Samt zu einem fleckigen Rosa verblasst war.
Dann stand Rossokow neben ihnen, die Hand auf der Schulter der Frau, und zog den Stuhl fort von etwaigen Waffen, die sie möglicherweise im Schreibtisch verborgen hielt. »Sie sind Althea Dale, nehme ich an.«
»Ja.«
»Sie wissen, wer ich bin.«
»Ja. Ich dachte mir, dass Sie vielleicht versuchen würden, hierherzukommen.«
»Und Sie haben mich hereingelassen?« Rossokows Stimme klang skeptisch und amüsiert.
»Die Wächter bewachen die Türen im Erdgeschoss. Ich dachte, das würde ausreichen. Wie sind Sie hereingekommen?«
»Über den Dachboden.« Altheas Augen schlossen sich einen Moment lang.
»Ich hätte diese Sache nie Rooke anvertrauen dürfen«, sagte sie nach einer Weile.
»Aber es ist besser, dass wir reden, Sie und ich, ohne Rooke, ohne Außenstehende.« Ihr Blick wanderte über die Gruppe, traf Sara und Mickey, die vor der verschlossenen Tür standen, verweilte einen Augenblick auf Ardeth, ehe er sichtlich zufrieden wieder zu Rossokow zurückkehrte.
Dieser lehnte sich an den Schreibtisch, und Ardeth ging die paar Schritte
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