Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
einen eisigen Schauder über den Rücken jagte. Rossokow warf die Bruchstücke neben Rookes Leiche auf den Boden und sah Mickey an. »Gibt es hier noch Munition für Ihre Waffe?«
Mickey blickte auf die Maschinenpistole, die er immer noch in der Hand hielt, und unterdrückte ein Lachen. Er hatte das ganze Magazin auf die Computer abgefeuert. Die Angst, die Kontrolle über das tödliche Ding zu verlieren, das da in seinen Händen zuckte, hatte seinen Finger am Abzug einfrieren lassen. Gut, dass du keine großen moralischen Entscheidungen treffen musstest … nicht mit einer leergeschossenen Waffe, um ihnen Nachdruck zu verleihen. Er ließ die Waffe fallen und zog Rooke die Pistole aus dem Gürtel.
Er sah Rossokow wieder an. »Da ist bloß noch die hier.«
»Dann kommen Sie. Lassen Sie uns Ardeth und Sara suchen. «
Als Mickey, dicht gefolgt von Rossokow, das Zimmer verließ, hörte er, wie hinter ihnen Stimmen laut wurden: Takara, die zur Flucht drängte, und ein Mann, der vorschlug, einfach die Tür abzusperren und auf die Polizei zu warten. Ich würd’s wie sie machen, Lady, dachte Mickey mit einem inneren Grinsen . Aber auf mich hört auch nie einer.
Ardeth und Sara befanden sich nicht im Korridor, also probierte er ein paar Türen aus, bis eine sich öffnen ließ und er eintreten konnte. Er sah Sara zuerst – ihr Gesicht wandte sich ihm zu, als das Licht aus dem Korridor sie erfasste. Ardeth lag ausgestreckt neben ihr auf der Couch und hielt Saras Hand an ihr Gesicht. Als ihr schläfriger Blick sich hob, sah Mickey ein rotes Funkeln in ihren Augen.
Wie ein Löwe, der von seinem Opfer aufblickt. Der Gedanke brannte wie Feuer in ihn, brannte all die halbherzigen rationalen Erklärungen weg, die in ihm Form anzunehmen begannen. Bilder rasten mit der Intensität von Momentaufnahmen an ihm vorbei: Ardeths Augen in der finsteren Nacht, Rossokow, wie er unter den Bäumen schlief, sein seltsames, zynisches Lächeln. Auf der Tonspur war Rossokows Stimme zu hören … Und die von Rooke … Und die von Takara. » In der Vergangenheit nannte man diejenigen, die daran litten, Vampire …« – »Natürlich hat er sie getötet, das tut er immer …« – »Immerhin gibt es doch Ungeheuer. Aber Sie sind nicht das schlimmste davon.«
Ardeth ließ Saras Handgelenk los und wischte sich den Mund.
»Sara . . .« Endlich brachte er ihren Namen heraus und hörte dann hinter sich ein Geräusch. Er fuhr herum und sah die dunkle Gestalt, die sich vor der Tür abzeichnete.
»Jetzt wissen Sie es.«
»Sie«, begann Mickey, atmete dann tief ein. Er suchte nach Worten und mühte sich ab, seinen Mund dazu zu zwingen, sie auszusprechen. »Sie sind Vampire.«
»Ja. Das habe ich Ihnen, so gut ich konnte, zu sagen versucht. So offen, wie ich es gewagt habe.« Seine Stimme klang so verdammt vernünftig, und deshalb zwang Mickey sich, Ardeth anzusehen, die sich langsam neben Sara aufsetzte. Der brennende, ungezähmte Hass, den er für sie nach Ricks Tod empfunden hatte, stellte sich wieder ein.
»Sie haben ihr Blut getrunken.« Leugne es doch, dachte er verzweifelt. Bitte, leugne es.
»Das tun wir, um zu überleben. Aber sie hat ihr keinen Schaden zugefügt«, erwiderte Rossokow mit seiner ruhigen, verführerisch vernünftig klingenden Stimme.
»Sie hat ihr Scheißblut getrunken!« Die Waffe fuhr hoch, ehe er sich dessen bewusst war, deutete wirkungslos auf Rossokows Brust. Das wird nicht funktionieren, das wird ihn nicht aufhalten, dachte Mickey benommen, aber er konnte die Hände nicht bewegen, sie waren wie erstarrt und hielten das tödliche, lächerliche Spielzeug wie einen Talisman fest.
»Sie ist meine Schwester«, brauste Sara auf, so als ob sie auf ihn wütend wäre – als ob er es wäre, der keinen Sinn ergab. »Ich habe es ihr erlaubt.«
»Du hast es ihr erlaubt?«, hörte er sich ungläubig wiederholen. »Und damit ist es völlig in Ordnung, dass sie …«
»Ungeheuer sind?« Rossokows Stimme vermittelte tiefe Traurigkeit, in die sich uralte Pein mischte. »Rooke hat das gesagt. Vielleicht hatte er Recht. Aber fragen Sie sich doch selbst: Habe ich Ihnen in irgendeiner Weise geschadet? Habe ich Sie belogen?«
»Weil Sie mich gebraucht haben«, warf Mickey zurück und bemerkte, dass seine Armmuskeln angefangen hatten zu zittern, dass der Lauf der Pistole zwischen ihnen zu beben begonnen hatte.
»Und wenn ich ein Ungeheuer wäre, würde ich dann Ihre Hilfe brauchen? Würde ich darum gebeten haben? Mickey, wenn Sie mich
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