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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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und wandte sich dann wieder den Trauergästen zu, zwang sich, die Maske der trauernden Tochter aufzusetzen und zu vergessen, dass das letzte Vermächtnis ihres Vaters nicht Trauer, sondern Angst war.

11
     
    Vor ihr breitete sich der Trans-Canada-Highway aus, zeigte wie ein langer, gerade Pfeil mitten auf das Herz des östlichen Himmels. Ardeth ging am Straßenrand entlang, hörte zu, wie der Kies unter ihren Füßen knirschte, und lauschte auf Fahrzeuge, die von hinten herankamen. Als sie das Zischen von Reifen auf dem Asphalt hörte, drehte sie sich in den grellen Lichtschein der Scheinwerferbalken und hob den Daumen.
    Der Wagen brauste an ihr vorbei und trug seine Passagiere in dem Kokon aus Wärme und Behaglichkeit in die Nacht. Sie schob sich ihren Rucksack zurecht und lief weiter.
    Den ersten Tag hatte sie in den Wäldern außerhalb von Canmore geschlafen und sich bei Einbruch der Abenddämmerung von einer Gruppe Universitätsstudenten bis Calgary mitnehmen lassen. Von dort aus hatten sie ihre Füße und ein weiterer freundlicher Autofahrer nach Saskatchewan gebracht. Den Tag hatte sie in einer halb zerfallenen Scheune verschlafen, und jetzt war sie hier und marschierte durch die klare Prärienacht gen Osten.
    Was Rossokow wohl tun mochte, überlegte sie. Sie ertappte sich dabei, wie ihre Gedanken immer wieder zu jener Frage zurückkehrten. An dem Schmerz herumtasteten, wie um sicherzustellen, dass er noch da war. Und das war er jedes Mal, ganz dicht unter der Oberfläche ihres Bewusstseins lauerte er. Es lief immer gleich ab: Sie stellte sich die Frage, und dann erfand sie in einer Flut von Zorn Antworten, die alles nur noch schlimmer machten. Rossokow mit einer gesichtslosen Frau in den Armen, die Hände in ihrem Haar, den Mund auf den ihren gepresst. Rossokow aus dem Handgelenk eines üppigen Körpers trinkend, der ausgestreckt in vom Mond beschienener Nacktheit auf dem Bett lag, das sie geteilt hatten.
    Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, auf die Straße zu schauen, sich davor hütend, zu den flammenden Sternen am Himmel aufzublicken.
    Du hättest ab Calgary gen Westen gehen sollen, redete Ardeth sich erneut halbherzig ein. Dann wärst du jetzt in Vancouver und würdest am Wasser sitzen und zum Mond aufblicken. Aber irgendetwas hatte ihre Füße nach Osten gelenkt, und jetzt war es zu spät, es sich anders zu überlegen. Nach Hause, flüsterte eine innere Stimme, nach Hause, ich gehe nach Hause.
    Zwei Stunden später war sie immer noch unterwegs. Der Mond brannte über dem Horizont. Ardeth erinnerte sich daran, wie er sie oben, auf dem Berg gerufen hatte. Denk nicht daran, redete sie sich ein und machte ein Mantra daraus, das sie im Rhythmus zu ihren Schritten murmelte. Denk nicht daran. Die monotonen drei Worte brachten ihr eine Art Linderung, lenkten sie von ihren Spekulationen über das ab, was in den Räumen geschehen mochte, die sie hinter sich gelassen hatte.
    Ein Motor dröhnte hinter ihr, und sie drehte sich ohne zu denken um, hob in der uralten Geste des Trampers den Arm. Aber der Wagen brauste an ihr vorbei, ohne auch nur seine Fahrt zu verlangsamen. Sie seufzte und ging weiter rückwärts, sah zu, wie ein fernes Scheinwerferpaar näher kam. Das war eine weitere Regel, die sie brach. Sie erinnerte sich daran, wie Sara und ihre Teenagerfreundinnen irrtümlich den Wagen ihres Vaters angehalten und dann den ganzen nächsten Monat lang jeden Samstagabend mit Hausarrest verbracht hatten. Das Echo alter Warnungen flüsterte mit dem Wind von den Weizenfeldern in ihren Ohren. Trampen ist gefährlich, trampen kann tödlich enden, kann ein noch schlimmeres Schicksal als den Tod bringen.
    Andererseits, dachte sie wehmütig, hatte sie schließlich nie Schlimmeres getan, als abends einmal um den Block herumzugehen – und war das etwa ungefährlich gewesen?
    Das Scheinwerferlicht füllte ihre Augen, blendete sie einen Moment lang. Sie hörte das Brummen eines Motors und das Knirschen der Reifen auf dem Kies. Dann drehte sie sich um und sah die Hinterseite des Pick-up-Trucks, der auf sie wartete, sah das Saskatchewan-Nummernschild zwischen den roten Augen der Heckleuchten. Ein kurzer Eindruck eines gebräunten Gesichts, blassblaue Augen im Schatten einer Schirmmütze, als der Mann sich zur Seite beugte, um die Beifahrertür zu öffnen. »Wo willst du hin?«
    »Toronto.«
    »So weit fahre ich nicht«, schmunzelte er. »Reicht Williamston? «
    »Prima«, nickte Ardeth und stieg in den Truck. Trampen ist

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