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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Seine Stimme war ruhig und leise. Er blickte nicht auf.
    »Zu wie vielen Filmen haben die Sie gezwungen?«
    Nach einem Augenblick kam die Antwort: »Zwei.«
    »Man hat mich gezwungen zuzusehen.«
    Er nickte langsam. »Diesmal ging es schnell.«
    »Die haben Sie gezwungen, das weiß ich.«
    »Ich hatte keine Wahl. Ihr Herzschlag … das Blut …« Sein Kopf senkte sich wieder, seine Augen schlossen sich, und sie sah, wie seine Finger sich zu Fäusten ballten. Ardeths Muskeln spannten sich, sie war bereit, aus der gefährlichen Nähe der Gitterstäbe zu ihrer Pritsche zu fliehen. Er holte tief Atem und schlug die Augen auf. »Ich musste es tun.« Sie wusste, dass er nicht an den Viehstachel und den Ultraschall dachte. Mit dir wird er es auch ›tun müssen‹, dachte sie verzweifelt, wagte es aber nicht, sein so mühsam gewonnenes Interesse aufs Spiel zu setzen.
    »Was wollen die von Ihnen? Was haben die vor?«, fragte sie. Jemand, der einen Vampir in seiner Gewalt hatte, würde sich doch ganz sicher nicht damit begnügen, mit ihm Pornofilme zu drehen. Er schüttelte den Kopf, und sein graues Haar wurde kurz aufgewirbelt und legte sich dann wieder. »Haben die je verraten, wer sie bezahlt? Wer Sie in seine Gewalt bringen wollte?« Die Befragung schien ihn nicht zu interessieren, sie spürte, dass seine Aufmerksamkeit nachließ. »Fühlen Sie sich jetzt besser, nach dem, was Roias getan hat?«
    Zum ersten Mal, seit das Gespräch begonnen hatte, sah er sie an. »Ja.«
    »Tut er das oft?«
    »Oft genug.« Sie glaubte, einen Anflug von Sarkasmus in seiner Stimme wahrzunehmen.
    »Rossokow, wie ist mein Name?«
    Sein Kopf drehte sich herum, und seine kühlen grauen Augen sahen sie geradewegs an.
    »Ihr Name ist Ardeth Alexander.« Am liebsten hätte sie gelacht. Er hatte wirklich zugehört, hatte sich den langen Monolog ihres Lebens angehört.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte er plötzlich.
    »Was getan?«
    »Mir Ihr Blut gegeben.«
    »Oh.« Sie hielt inne, überlegte, was sie sagen sollte. »Sie sind hier genauso ein Gefangener wie ich. Und über kurz oder lang hätten die Typen mich ohnehin dazu gezwungen. Auf die Weise hatte ich wenigstens etwas Kontrolle darüber. « Sie zuckte die Achseln und sah ihm in die Augen. »Sie haben mir leidgetan.«
    Er sah sie einen Augenblick lang mit einem Anflug von Verblüffung an. »Leidgetan«, murmelte er schließlich und schloss die Augen. Eine plötzliche Last grub Linien der Pein und der Müdigkeit in sein Gesicht.
    »Rossokow«, setzte sie an.
    »Lassen Sie mich in Frieden!«, herrschte er sie plötzlich an und stand auf, während er sie mit vor Wut und Qual blitzenden Augen anfunkelte. Die Wildheit seiner Stimme traf sie wie ein Schlag ins Gesicht, ließ sie von den Gitterstäben zurücktaumeln. Rossokow trat vor und packte die Stangen. Seine Knöchel waren weißer als die aschfarbenen Haarsträhnen, die Schatten über seinen fieberhaften Blick warfen. Er kann nicht so stark sein, dachte sie, von plötzlichem Schrecken erfüllt. Nicht stark genug, um die Stangen zu verbiegen und die eiserne Mauer niederzureißen, die ihr plötzlich mehr als Schutz denn als Gefängnis vorkam.
    »Lassen Sie mich in Frieden«, wiederholte er, stieß die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und fuhr dann herum. Er begann, auf und ab zu gehen.
    Siehst du, du kannst ihm nicht vertrauen, du solltest nie aufhören, vor ihm Angst zu haben, warnte die Stimme in ihr, und ihr wie wild schlagendes Herz und ihre zitternden Glieder widersprachen nicht. Ardeth schlich zu ihrer Pritsche zurück und rollte sich unter der Decke zusammen wie ein Embryo. Zu dem klirrenden Wiegenlied der Kette fiel sie endlich in den Schlaf.
     
    Es wurde kontinuierlich leichter, den größten Teil des Tages schlafend zu verbringen, stellte Ardeth fest. Sie verbrachte den dritten Tag ihrer Gefangenschaft in einem unruhigen Dämmerzustand und erwachte nur, um zu essen und sich zu erleichtern, voll Angst, sie würde es tun müssen, während Rossokow wach war.
    Sie versuchte, anhand der Mahlzeiten auf die Zeit zu schließen, obwohl sie argwöhnte, dass man ihr das Essen immer dann brachte, wenn es gerade passte, und nicht weil es Zeit für eine bestimmte Mahlzeit war. Manchmal war der Vampir wach, wenn das Essen kam; an diesem Abend lag er immer noch zu einer dünnen, angespannten Linie ausgestreckt auf seiner Pritsche.
    Nach dem Essen spülte Ardeth sich den Mund mit etwas Wasser aus und spuckte es in die leere Zelle

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