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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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neben der ihren. Sie hatte einen sauren Geschmack im Mund, und als sie sich mit den Händen über ihr Haar strich, fühlte es sich strähnig und verklebt an. Was würde ich nicht alles für eine lange, heiße Dusche tun, dachte sie und sah sehnsüchtig auf den Wasserkrug. Wenn sie bereit war, eine durstige Nacht zu verbringen, würde das Wasser vielleicht ausreichen, um den schlimmsten Dreck abzuwaschen.
    Das ist es wert, entschied sie, goss sich etwas Wasser in die hohlen Handflächen und rieb sich damit Hals und Gesicht. Dann kauerte sie sich hin, beugte den Kopf und goss so viel Wasser über ihr Haar, wie sie wagte. Ohne Seife konnte sie lediglich das kalte Wasser aus den wirren Strähnen pressen, aber allein schon die Illusion von Sauberkeit verlieh ihr frischen Mut.
    Als sie fertig war, betrachtete sie den gesunkenen Wasserstand im Krug und warf dann einen schnellen Blick über die Schulter auf den schlafenden Vampir. Ach, zum Teufel, dachte Ardeth und knöpfte ihr Hemd auf. Mit dem verbliebenen Wasser wusch sie sich Arme, Oberkörper und Schultern und wünschte sich, sie hätte den Mut, auch ihren BH abzulegen.
    In der kühlen Luft fröstelnd, aber nicht willens, die jetzt frisch gereinigte Haut mit dem schmutzigen Stoff ihres Hemdes zu bedecken, saß sie da und kämmte sich mit den Fingern durchs Haar. Sie war ganz darauf konzentriert, einen hartnäckigen Knoten zu lösen, als sie hinter sich ein leises Geräusch hörte. Sie drehte sich um und sah, dass Rossokow mit aufgestütztem Ellbogen auf seiner Pritsche lag und sie beobachtete.
    Ardeth erstarrte – lediglich ihre Hände fuhren fort, ihr Haar über die Schultern zu verteilen. Rossokows struppiges Haar verschleierte seine Augen, aber sie glaubte dennoch, einen Funken von Rot darin zu sehen. Einen weiteren Augenblick lang saß sie reglos da, die Hände im feuchten Haar, und spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Dann löste sie mit Mühe den Blick von ihm und griff nach ihrem Hemd. Ihre Finger zitterten, als sie die Knöpfe schloss. Also atmete sie tief durch, um den säuerlichen Rest der Angst aus ihren Gliedern zu drängen.
    Wieder einigermaßen im Gleichgewicht, strich sie sich das Haar noch einmal zurück und stand auf. »Sie sind also wach«, stellte sie fest und drehte sich zu ihm herum. »Reden Sie wieder mit mir?« Er schwang die Beine über den Rand der Pritsche und setzte sich auf. Sein Blick löste sich von ihr. »Sie könnten es genauso gut tun, wissen Sie. Wir beide stecken hier unten gemeinsam fest. Und ich für meine Person würde lieber reden, selbst wenn ich keine Reaktion bekomme, als hier herumzusitzen und den Wänden beim Schwitzen zuzusehen.« Sie ließ sich auf derselben Stelle am Boden nieder, an der sie bereits am vergangenen Abend gesessen hatte. »Wenn Sie nicht mit mir reden, könnte ich mich sogar gezwungen sehen, Ihnen die Thesen meine Doktorarbeit vorzutragen. « Du plapperst, dachte sie und spürte gleichzeitig, dass der Klang ihrer eigenen Stimme ihr guttat.
    »Welches Jahr haben wir?«, fragte Rossokow plötzlich, ohne sie anzusehen.
    »Jahr? Oh, wir befinden uns im Jahr 1991. Welches Jahr war … das letzte, an das Sie sich erinnern?«
    »1898. Es war 1898 … im Sommer.«
    »Jetzt ist April, der achte des Monats, glaube ich. Dann waren Sie mehr als neunzig Jahre in diesem Gebäude.«
    »Neunzig Jahre«, wiederholte er leise. »Länger als ich dachte.«
    »Was haben Sie dort gemacht?«
    »Jemand verdächtigte mich. Sie waren zu nah dran … Es gab keine Zeit zu entkommen.« Er hielt inne, sein Gesichtsausdruck wirkte immer noch ungläubig. »Neunzig Jahre. Das erklärt einige Dinge.« Seine Stimme war jetzt kräftiger, stellte sie fest, und seine Sätze vollständiger.
    »Was für Dinge?«
    »Die Maschinen, die Männer, diese ›Filme‹. Sie.«
    »Ich?«, wiederholte Ardeth überrascht und lachte dann, als sie sich die raffinierten, damenhaften Frauen ausmalte, an die er sich erinnern musste: wohlerzogene Bürgerinnen des braven Toronto. »In der Welt hat sich eine ganze Menge verändert.«
    »Erzählen Sie es mir«, drängte er plötzlich und drehte sich ein Stück herum, um sie besser sehen zu können.
    »Was soll ich erzählen?«
    »Alles, was geschehen ist. Alles, was ich verpasst habe.« Ardeth dachte an die langen Stunden, die vor ihr lagen, an die Dunkelheit, die sie erwartete, jenseits des Lichtkreises über ihr.
    »Also gut. Das wird für Sie ohnehin interessanter sein als meine Doktorarbeit.«
    Sie versuchte

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