Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
schwaches Geräusch zu hören. Sie drehte sich um und sah den Vampir immer noch zusammengekrümmt auf dem Boden liegen. Nach einer Weile kroch sie schwerfällig an die trennenden Gitterstäbe und kauerte sich dort nieder. »Rossokow.« Sie flüsterte seinen Namen wie einen Talisman, die einzige Verbindung zu dem kurzen Moment, als sie in seinen Augen einen Funken von Zurechnungsfähigkeit gesehen hatte. »Rossokow. Sie sind weg. Es ist schon gut, sie sind weg.«
Langsam bewegte er sich, und seine Arme lösten sich von seinem Kopf. Sie sah, wie seine Schultern zuckten, hörte seinen gequälten Atem. »Ihn töten … ich werde ihn töten«, murmelte er endlich, und seine Stimme brannte wie vorher das hungrige Licht in seinen Augen.
Die Wildheit in seiner Stimme machte ihr Angst, aber Ardeth blieb, wo sie war, und wartete den Racheschwur des Vampirs ab. Endlich hob Rossokow den Kopf. An einem seiner Wangenknochen hatte er sich die Haut auf dem Steinboden aufgeschürft. Sein Gesicht wirkte alt und hager, die Haut war straff über seine Schädelknochen gespannt. Ardeth schauderte, und Angst lief ihr eiskalt den Rücken hinunter.
»Wie …«, begann er und hustete dann, als hätten die Worte sich in seiner Kehle verfangen. »Wie heißen Sie?«
»Ardeth.«
»Ardeth … das dachte ich mir.« Seine rot reflektierenden Augen begegneten den ihren. Das Feuer in ihnen war verblasst und hatte nur toten grauen Marmor hinterlassen. Er versuchte, sich auf die Knie zu kämpfen, schaffte es aber nicht, der Ultraschall musste sein Gleichgewicht gestört haben. Ardeth sah ihm zu, hin- und hergerissen zwischen der Erinnerung an Suzys brutal zugerichteten Hals und dem Echo seines Schmerzes in ihren Ohren. Sie halten ihn mit Folter und Hunger in seinem Wahnsinn fest, dachte sie langsam. Im Wahnsinn würde er sie sicherlich töten. Aber wenn er zurechnungsfähig war … konnte man ihn dann dazu überreden, es nicht zu tun? Was die Folter anging, konnte sie nichts tun, aber den Hunger …
Ardeth wurde sich bewusst, dass sie ihre verwundete Hand schützend an den Leib gepresst hielt. Der Schnitt brannte noch etwas, aber das Blut war bereits zu einem dünnen Strich getrocknet. Sie sollte die Wunde auswaschen, damit keine Infektion entstand. Aber … Sie blickte wieder zu Rossokow. Seine Augen ruhten auf ihr, musterten sie mit stumpfer Neugierde. Er ist schwach, dachte sie plötzlich. Ich könnte ihn aufhalten.
Zögerlich streckte sie die Hand aus. Sie stockte fast automatisch an den Gitterstäben, aber dann zwang sich Ardeth, die Hand hindurchzuschieben. Der Blick des Vampirs erfasste ihre verschmierten Finger, und sie hörte, wie sein Atem aussetzte. »Schon gut. Die würden mich am Ende doch dazu zwingen«, sagte sie langsam, mehr um sich selbst zu beruhigen, als zu ihm gewandt.
Er kroch über den Boden an den Rand der Zelle, und die Kette klirrte dabei hinter ihm. Ardeth zwang sich, stillzuhalten, aber ihre Hand zitterte, und sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht aufzuschreien, als er anfing, ihre Finger abzulecken.
Es war nicht viel Blut übrig, und nach einer Weile hob er den Kopf. Das blasse Gesicht wirkte gequält und angespannt, und der Hunger flackerte wie eine Flamme in seinen Augen. Aber er machte keinerlei Anstalten, mehr zu nehmen, als sie angeboten hatte, sah ihr einfach mit verzweifelten Augen ins Gesicht.
Als sie den Arm herumdrehte, um das Handgelenk für ihn freizumachen, atmete er tief ein und beugte sich wieder über ihren Arm. Sie wusste, dass er sich zurückhielt, als er ihre Venen an die Oberfläche sog. Sie verspürte einen kurzen stechenden Schmerz, der sie zusammenzucken ließ, aber dann war nur der gleichmäßige Druck zu spüren, als er seine Nahrung aufnahm.
Es fühlt sich so seltsam an, dachte Ardeth. Ich gebe ihm Leben. Ist es das, was Mütter empfinden, wenn sie ihre Babys stillen, diese seltsame Kombination aus Mutterinstinkt und sexuellem Begehren? Die Erkenntnis, dass sein Hunger sie erregte, machte ihr plötzlich Angst, und sie schickte sich an, den Arm zurückzuziehen. Lange Finger schlossen sich um ihren Arm und hielten sie fest.
Zitternd und bereits unter dem Eindruck der schwindelerregenden Taubheit, den der Blutverlust mit sich brachte, lehnte Ardeth gegen die Gitterstangen und beobachtete ihn. Es war leichter, ihm ihr Blut freiwillig zu geben. Sie hatte nicht einmal mehr Angst, gab sich ganz den Wellen des Wohlbehagens und der Emotionen hin, die sie im Rhythmus seines Saugens
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