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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Vampir ging, war auch mit den Frauen Schluss. Ohne den Vampir würde Roias einfach wieder seine Pornofilme drehen, und die Frauen, die darin mitspielten, interessierten Peterson kein bisschen. Das Ungeheuer besaß Macht – und deshalb hassten ihn sowohl Peterson als auch Roias. Roias’ Vorgesetzte brauchten den Vampir viel dringender, als sie Roias brauchten, und das gab dem Monstrum Macht. Das machte Roias zornig, brachte ihn dazu, seine dummen Spielchen mit dem Ultraschall und den Mädchen zu treiben.
    Aber das war es, was Peterson mit Neid erfüllte. Der Vampir war alles andere als der glatte Verführer, wie er ihn aus den Filmen in Erinnerung hatte, aber er verfügte dennoch über Macht. Macht über die anonymen Nutten, die Roias in Toronto vom Strich wegschnappte und in die Nachbarzelle steckte, bis sie blass, durchscheinend und schön wurden. Macht über die verzweifelten Junkies, die in Leseurs Filmen ›Stars‹ waren und sich dann der Umarmung des Vampirs hingaben.
    Er hatte es in ihrer aller Augen gesehen, in ihren letzten Lebensminuten: Die Sehnsucht nach jenem hageren, grauen Ungeheuer, das schwindelerregende Sehnen nach dem Tod selbst. Die neonfarbenen Totenköpfe, die er auf der Brust trug, schienen sie weder anzuziehen noch ihnen Angst zu machen. Aber zu jenem grauen Tod gingen sie alle mit offenen Armen.
    Wenn es der Tod war, den sie alle liebten, konnte dann nicht er dieser Tod für sie sein?, fragte er sich. Er war besser, er liebte sie mehr als jenes Monstrum, das doch nur ihr Blut haben wollte, um sich an seinem eigenen widerwärtigen Leben festzuklammern. Er wollte sie, wollte ihre kühlen Gliedmaßen und ihre reglosen Lippen anbeten.
    Er erinnerte sich an die verächtlich brennenden Augen und hielt die Leiche fester. Du wirst verschwinden, dachte er bei der Erinnerung. Roias wird dich wegbringen, und seine Bosse werden mit dir machen, was sie wollen. Ich werde immer noch hier sein. Ich werde immer noch frei sein. Ich weiß, was jetzt zu tun ist. Und ich weiß, wie ich es anstellen muss.
    Er war fast enttäuscht, als er die improvisierte Begräbnisstelle erreichte und sie auf den Boden legen musste, um ein flaches Grab auszuschaufeln. Sie befanden sich tief im Wald, der die Anstalt umgab. Der Himmel war bedeckt, und das wenige Licht, das zwischen den Blättern der überhängenden Bäume hindurchdrang, wirkte kalt und grau. Peterson fröstelte und zuckte dann zusammen, als ein Eichhörnchen vorbeihuschte und die Blätter zum Rascheln brachte. Er hasste den Wald, fürchtete ihn mit dem typischen Misstrauen des Städters für die scheinbar täuschende Stille, die ihn erfüllte.
    Er schaufelte das Grab und musste dabei ein- oder zweimal die Richtung etwas ändern, als seine Schaufel auf eine der anderen dort vergrabenen Leichen stieß. Als er fertig war, trat er ein paar Schritte zurück, um sein Werk zu begutachten. Es war ein seltsam geformtes Loch, aber er würde sie so verbiegen, dass sie hineinpasste.
    Peterson ging zurück, um sie in die Arme zu nehmen, und trug sie zu ihrem neuen Bett. Er legte sie sacht in die flache Grube und zupfte ihr die Blätter aus dem Haar. Dann öffnete er ihr Hemd und betrachtete sie einen Augenblick lang. Ihre schimmernde Haut war von Prellungen verunziert, eine verlief von ihrer Brust bis hinunter zum Hüftknochen. Und dann war da ein großer, dunkler Fleck an ihrem Hals, und er drehte ihren Kopf zur Seite, um ihn zu verbergen.
    »Ardeth«, flüsterte er, das erste Mal, dass er ihren Namen laut ausgesprochen hatte. Sie war die Schönste von allen, selbst wenn man die mitrechnete, die Roias für die Filme gekauft hatte. Ein Leuchten umgab sie, ein silberner Schein, den all die anderen nicht besessen hatten. So schön, dass er ihr alles vergeben konnte, selbst dass sie mit dem Tablett nach ihm geschlagen hatte.
    Er legte eine Hand auf die weiche Wölbung ihres Bauches und strich dann ihre Seite entlang, hielt inne, als er ihren Brustkorb erreichte. Eine Brise erfasste ihr Haar, ließ es ihr übers Gesicht flattern, dass es so aussah, als hätte ihr Kopf sich bewegt. Petersons Hand erstarrte einen Augenblick lang und legte sich dann über ihre Brust.
    Plötzlich konnte er den Gedanken nicht ertragen, das weiche Fleisch, das jetzt seine Hand ausfüllte, mit dem Pfahl zu durchbohren, der in dem Sack an seiner Seite wartete. Roias hat dir befohlen, es zu tun, erinnerte er sich. Roias braucht es nicht zu wissen, murmelte eine kühle, graue Stimme in den Tiefen seines

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