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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Verstandes.
    »Vielleicht«, wisperte er dem von ihm abgewandten Gesicht zu. »Vielleicht, wenn du besonders nett zu mir bist …« Er beugte sich vor, um sie zu beobachten. Um auf das zu warten, was er hinter ihrer entrückten Miene erwartete.
    Die Kälte kam plötzlich, wie ein Windhauch, den er nicht fühlen konnte, und die Schatten der Bäume schienen dichter zu werden und ihr Haar zu liebkosen. Peterson fröstelte und griff nach ihren Schultern, um sie in seine Arme zu ziehen, um sich an ihrem kühlen Fleisch zu wärmen.
    Und was ist mit uns?, zischte eine Stimme in seinem Bewusstsein, und dann eine andere, wie ein Echo. Verräter … Betrüger … Du hast gesagt, dass du uns liebst … Wir haben dich geliebt … Leg dich hin, und wir werden dich wiederlieben …
    Er erstarrte, als das über die Gräber ausgebreitete Laub zu rascheln begann, so als regte sich unter den Blättern etwas.
    Komm und liebe uns … Leg dich zu uns und berühre noch einmal unsere kalte Haut …
    Er sah Ardeth an, suchte verzweifelt nach dem Willkommensgruß, den er beinahe wahrgenommen hatte. Er dachte, er könnte ihre Lider zucken sehen, und dann schloss sich eine andere, kräftigere Stimme denen der anderen an.
    Komm und liebe mich … Komm und liebe uns in Ewigkeit … in alle Ewigkeit … auf ewig …
    Plötzlich sah er eine Vision vor sich, sah verfaulende Körper, die sich unter den Blättern regten, sah Skeletthände, die ihn hinunterzogen und ihn in einer erschreckenden Parodie seiner geheimsten Träume umarmten.
    »Nein!«, schrie er, griff in die Erde, die er neben dem Grab aufgehäuft hatte, und warf sie in die Grube, um ihre lockenden Arme und ihr reglos wartendes Gesicht zu bedecken. »Nein. Ich will dich nicht … nicht so. Lass mich in Frieden!«
    Als sie mit Erde bedeckt war, griff er sich hastig den Sack und die Schaufel und rannte davon, verfolgt von weiblichem Gelächter, das zwischen den Blättern hallte.
    Auf halbem Weg zurück zur Anstalt fiel ihm ein, dass er immer noch den Pfahl bei sich trug. Er wurde langsamer, aber nur, bis er ihn in eine schmale Bodensenke geworfen hatte, dann rannte er weiter.

12
     
    Ardeth erwachte vom Klang ihres geflüsterten Namens.
    Sie regte sich ein paar Augenblicke nicht, ließ das Geräusch durch ihr Bewusstsein hallen. Sie verdrängte, wo sie war oder wie sie dorthin gelangt war, lauschte nur der Melodie ihres Namens, dem sinnlichen Rollen der ersten Silbe und dem abrupten Schluss der zweiten.
    Während der Ruf allmählich verklang, wurde sie sich wieder ihres Körpers bewusst. Sie lag ausgestreckt da, und eine leichte Decke aus … irgendetwas … bedeckte sie. Aus einem Grund, den sie nicht zu benennen vermochte, wollte sie die Augen nicht öffnen. Sie versuchte zögernd, sich daran zu erinnern, wie sie eingeschlafen war, konnte es aber nicht.
    Einen Augenblick später bewegte sie ihre Hand ein wenig und fühlte, wie die kühle Decke, die auf ihr lag, sich auflöste und über ihre Haut glitt. Von dem Gefühl fasziniert, bewegte sie abermals die Hand. Plötzlich durchstieß sie diese die Decke, und ihre Hand prickelte, als warme Luft sie umfing.
    Ich bin unter der Erde, dachte Ardeth, leicht überrascht. Sie bog prüfend die Finger und spürte die schwache Liebkosung einer Brise. Ich sollte mich wohl aufsetzen. Als sie es tat, glitten Erde und modriges Laub des vergangenen Herbsts mit einem Geräusch von ihr ab, das an das Prasseln von Regen erinnerte.
    Die Luft auf ihrer Haut war warm, und sie bog unbewusst den Kopf nach hinten, so als wolle sie das Gesicht der Sonne entgegenheben. Sie hörte das Rascheln von Blättern, und in der Ferne das Zirpen von Grillen. Irgendwo war der klagende Ruf einer Eule zu vernehmen.
    Ardeth schlug die Augen auf und starrte nach oben, in die überhängenden Äste der Bäume und das silberne Leuchten des Mondes. Es kam ihr überhaupt nicht seltsam vor, dass sie hier in den Tiefen des Waldes unter einer Decke aus Erde und Blättern lag. Das fleckige Licht war kühl und behaglich. Ich sollte hierbleiben, dachte sie. Ich könnte mich in meine Höhle kuscheln und immer schlafen.
    Aber ihr war nicht nach schlafen. Etwas nagte an ihr, die unbestimmte Erinnerung an etwas, das sie tun sollte. In ihr war ein hohles Gefühl – wie Hunger. Aber wonach sie hungerte, war ihr nicht ganz klar.
    Ardeth hob die Hand und wischte geistesabwesend die Erdkrumen weg, die an ihren Wangen und in den Wimpern klebten. Sie drehte sich etwas zur Seite und spürte unter sich

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