Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
hinein gesprochen waren die Worte eine Erleichterung. Sie fühlte sich, als wäre eine große Last von ihr genommen worden, jetzt wo sie eine Entscheidung gefällt hatte.
»Ardeth«, begann Rossokow und hielt dann inne, weil es keine Lüge gab, die er ihr anbieten konnte.
»Wenn ich nicht an Blutverlust sterbe, werden sie mich erschießen. «
»Ja.«
»Sie werden nicht damit rechnen, dass ich zurückkomme? «
»Sie pfählen die Leichen«, gab Rossokow langsam zu bedenken.
»Ich weiß. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, um sicherzustellen, dass das nicht geschieht …«
»Und wenn es eine Möglichkeit gäbe?« In seiner Stimme war ein Widerstreben, eine Distanz, die sie nicht ganz nachvollziehen konnte.
»Dann könnten Sie …« Sie hielt inne, die Worte wollten sich nicht so leicht einstellen, wie sie gedacht hatte. Es war viel einfacher, um die Dinge herumzureden, viel schwerer, es deutlich auszusprechen. »Sie könnten mich zum Vampir machen. Ich könnte zurückkommen.«
»Ardeth …«
»Es ist der einzige Weg«, sagte sie hartnäckig und sah ihn an. In seinen nach vorne gesunkenen Schultern, dem gebeugten Kopf lag Verzweiflung.
»Ich weiß. Ich habe das schon eine ganze Weile lang gewusst. «
»Warum haben Sie es mir dann nicht gesagt?«
»Ihnen was gesagt? Dass der einzige Weg für mich, aus diesem Kerker zu entkommen, darin besteht, Sie zu töten und Sie in ein Geschöpf zu verwandeln wie ich eines bin? Sie zu verwandeln, damit Sie aus einem Haufen Leichen auferstehen, um zu mir zurückzukommen? Ardeth, so etwas würde ich Ihnen niemals aufzwingen. Man hat mich dazu gebracht, hier schreckliche Dinge zu tun, ich werde keine weiteren Untaten aus eigenem freien Willen begehen.«
»Jetzt ist es mein Wille. Mir macht es nichts mehr aus zu sterben. Aber ich möchte, dass diese Leute dafür bezahlen«, sagte Ardeth, und ihre Stimme klang plötzlich wütend und schneidend. »Ich möchte diesen Bau hier einreißen für das, was die mir, Ihnen und all diesen Mädchen angetan haben. Ich glaube nicht, dass ich leichter ruhen werde, wenn ich weiß, dass ich auch nur ein hilfloses Opfer war.«
»Ardeth, das ist keine einfache Entscheidung«, fing Rossokow wieder an.
»Doch, das ist es. Es ist die einfachste Entscheidung, die ich je treffen musste. Ich sterbe, oder ich überlebe … wir beide überleben.«
»Dieses Überleben hat einen Preis. Einen Preis, den man nicht ohne Bedauern zahlt.«
»Werden Sie oder ich es weniger bedauern, wenn ich ohne Wiederkehr sterbe?«, forderte sie ihn heraus, und er starrte einen Augenblick zu Boden.
»Nein.« Er hob den Kopf und lächelte sie an. »Überlassen Sie das mit dem Pfählen mir. Dieses Problem werde ich irgendwie lösen. Wann möchten Sie, dass es geschieht?«
»Jetzt, noch heute Nacht.«
»So bald?«
»Wie lange werde ich denn noch aushalten?« Sie musste es jetzt tun, solange die Furcht sie nicht wieder lähmte oder die Hoffnung sie dazu brachte, sich zu lang ans Leben zu klammern.
»Also gut, dann jetzt«, stimmte Rossokow schnell zu, erhob sich von seiner Pritsche und trat auf das Gitter zu. Ardeth ging ihm mit zitternden Beinen entgegen. Sie stolperte über die Jeans, die immer noch um ihre Knöchel hingen und trat sie weg. Dann sank sie zu Boden. Er hob einen Augenblick lang sein Handgelenk an den Mund. Als er ihr den Arm hinstreckte, war ein Blutstropfen auf der blassen Haut erblüht. Ardeth starrte ihn fasziniert und benommen an, und ihre Hände krampften sich um die Gitterstangen.
Zwei Schritte brachten ihn an den Rand seiner Zelle. Langsam streckte er den Arm aus, bis Unterarm und Handgelenk die Grenze zwischen seinem Kerker und dem ihren passiert hatten. Auf dem kalten Steinboden kauernd, starrte sie die marmorne Hand, die langen, leicht gekrümmten Finger und den blassen Arm mit dem roten, schweren Blut darauf an.
Wenn du es tust, gibt es kein Zurück mehr, dachte sie. Zurück zu was? Jede andere Wahl, die sie hätte treffen können, schien jetzt weit entfernt. Das einzig Reale in der Welt bestand in jenem roten Tropfen vor ihr. Ardeth leckte sich die Lippen, wagte nicht, woanders hinzusehen, ganz besonders nicht nach oben, in die Augen des Vampirs.
Sie beugte sich langsam auf den Knien nach vorne, streckte eine Hand aus und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Als sie ihre zitternden Lippen über die Wunde legte, hörte sie sein Seufzen wie aus weiter Ferne. Sie brauchte einen Augenblick, um den Rhythmus zu beherrschen, aber dann floss
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