Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
– die Gewinne der vier Jahre seit Arthurs Tod konnten das bestätigen – aber diese letzte Verrücktheit konnte alles zunichtemachen: Havendale, den Namen der Familie, eben alles.
Der Gedanke ernüchterte ihn und rief die Erinnerungen an die Irrenanstalt und die gereizte Stimmung zurück, die seine Begegnungen mit Althea Dale immer begleitete. Und das war schon so gewesen, als die Dinge noch gut liefen.
Die Hausdame blieb vor der Bürotür stehen und klopfte verängstigt an das dunkle Holz. Eine gedämpfte Stimme war zu vernehmen, dann öffnete die Frau ihm die Tür und bat ihn einzutreten. »Mr. Rooke«, flüsterte die Hausdame, dann hörte er, wie die Tür sich hinter ihm schloss.
Althea Dale saß an dem mächtigen alten Schreibtisch, der so aussah, als hätte er ursprünglich einmal Archer gehört. Wieder faszinierte Rooke der Kontrast der verblassenden Pracht des Raums mit seinen von Büchern gesäumten Wänden und den alten hölzernen Aktenschränken sowie der glatten Leere jenes Schreibtischs, nur unterbrochen von dem stumpfen Grau des Computerbildschirms auf der einen und dem kompakten schwarzen Telefon auf der anderen Seite.
Diese beiden Dinge waren es, die ihn mit seiner Arbeitgeberin verbanden: ihre Stimme am Telefon und ihre Worte auf dem Bildschirm seines Computers. Er hatte sie bisher nur zweimal persönlich zu Gesicht bekommen. Einmal vor seiner Ernennung zum Leiter des Bereichs Sonderprojekte und einmal, als sie ihn zu sich gerufen hatte, um ihm die wahre Natur ihrer augenblicklichen Obsession zu erklären.
Gleich ihrem Vater verließ Althea Dale nie das Haus. »Rooke.« Ihre Stimme war ruhig und kontrolliert.
»Miss Dale.« Er nahm in dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch Platz und wartete.
»Wie ist es passiert?«
»Das wissen wir nicht genau. Das Schloss seiner Zelle ist unversehrt, also muss jemand einen Schlüssel benutzt haben. Es könnte einer von Roias’ Männern gewesen sein, Peterson vielleicht. Wir haben seine Leiche im Keller gefunden. Die anderen, auch die Schauspieler und die Kameramänner, sind alle in der Nähe des Studios getötet worden. Das Filmmaterial war entweder belichtet oder zerstört.« Er achtete darauf, dass seine Stimme ruhig blieb und ließ durch nichts erkennen, wie es wirklich gewesen war, durch das mit drei Tage alten Leichen übersäte Studio zu gehen.
»Wie ist er entkommen?«
»Das weiß ich nicht genau. Die Fahrzeuge in der Garage waren alle beschädigt. Aber der Wald ist dort ziemlich dicht. Es …« Er stockte plötzlich und erinnerte sich daran, dass sie darauf bestand, dass das männliche Pronomen benutzt wurde. »Er könnte immer noch dort sein.«
»Er wird nicht dortbleiben. Er wird zu guter Letzt in die Stadt kommen.« Sie verstummte einen Augenblick lang. Rooke beobachtete sie sorgfältig. Sie war im letzten Jahr dünner geworden, ihr Gesicht fing an, knochig und hager zu werden, was sie älter als ihre zweiundvierzig Jahre aussehen ließ. Das lange, ergrauende braune Haar war wie üblich hinten zu einem Zopf geflochten, und sie trug ein weißes Hemd und dunkle Hosen. Er fragte sich, ob es wohl dieselben waren, die sie die letzten beiden Male getragen hatte, als er sie gesehen hatte.
Sie stand ruckartig auf und ging mit über der Brust verschränkten Armen im Zimmer auf und ab, wobei ihre Hände die Ellbogen umfassten. Rooke spürte ein Prickeln im Nacken, als sie hinter ihm vorbeiging, so als würde sich ihre Spannung auf ihn übertragen. Unbewusst wartete er darauf, dass sie sich eine Zigarette anzündete. Soweit ihm bekannt war, rauchte sie nicht, aber ihre barsche Reizbarkeit schien immer darauf hinzudeuten, dass sie das eigentlich sollte, dass ihre langen, dünnen Finger sich krümmten, um nicht nur Luft zu halten.
»Was haben Sie mit den Leichen gemacht?«, fragte sie schließlich.
»Ich habe unser spezielles Säuberungsteam gerufen, damit die sie im Wald begraben konnten, so wie Roias das mit den Frauen gemacht hat.«
»Kann man ihnen vertrauen?«
»Dafür bezahlen wir sie.« Er fing den schnellen Blick auf, mit dem ihre tief liegenden Augen zur Seite huschten. »Möglicherweise müssen wir sie später eliminieren.«
»Warum nicht gleich?«
»Weil es zu bald nach den anderen wäre, diesen Studenten. «
»Da kann man aber keine Verbindung zu uns herstellen.«
»Wahrscheinlich nicht. Aber wenn die Polizei zu viele ungelöste Morde vorgesetzt bekommt, werden sie nervös und argwöhnisch. Warten Sie ein, zwei Monate.« Sie runzelte
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