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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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ausnutzen konnte, um sie unter seine Kontrolle zu bringen. Jedes Mal, wenn er glaubte, einen Weg gefunden zu haben, ihre Paranoia zu seinem Vorteil zu nutzen, dann ging irgendetwas schief, und er erhaschte einen Blick auf einen unerbittlichen Wahnsinn ohne jegliche Moral, der so weit jenseits irgendeines ihm begreiflichen Motivs war, dass er seine Pläne wieder aufgab.
    Arthur Dale war nicht der Einzige, über den es Gerüchte gab.
    Erst als er sich in der Sicherheit seines Wagens befand, gestattete er sich, sich zu entspannen. Zweihunderttausend Dollar waren ein geringer Preis – und es gab immer Mittel und Wege, um den Betrag zu reduzieren. Wenn man alle Fakten in Betracht zog, war er sogar erstaunlich billig davongekommen.
    Schließlich war der Preis dafür, bei Havendale zu versagen, kein goldener Fallschirm. Es war ein langer, langer Sturz ohne jegliche Sicherung.

18
     
    Sie schlief tief und traumlos und erwachte in derselben Lage, in der sie sich schlafen gelegt hatte, hinter dem Ofen eingerollt wie eine Katze.
    Ardeth lag einen Augenblick lang reglos da und erprobte ihre neuen Sinne. Sie fühlte die Leere des Hauses und – jenseits seiner Mauern – den schweren Herzschlag der Stadt. Sie verspürte tief in sich die schwachen Regungen von Hunger. Am Anfang ist es am stärksten, hatte Rossokow gesagt. Sie erinnerte sich an die erste Kostprobe von Petersons Blut, seine schwindelerregende Süße, und setzte sich auf. Sie fröstelte plötzlich, hin- und hergerissen zwischen freudiger Erwartung und Abscheu tief unten in ihrer Seele. Aber das würde warten müsse, dachte sie erleichtert. Zuerst gab es andere Dinge zu tun.
    Sie sah auf die gestohlene Rolex und stellte fest, dass sie zwei Tage lang geschlafen hatte. Die lange Nacht ihrer Wiedergeburt musste sie stärker strapaziert haben, als sie geglaubt hatte. Wieder regte sich der Hunger, eindringlicher diesmal, streckte sich in ihren Eingeweiden wie eine erwachende Katze. Sie schüttelte sich den Staub aus dem Haar und von der Jacke, verließ das Haus auf demselben Weg, auf dem sie eingedrungen war, und begann, in Richtung Süden zu gehen, auf die Queen Street zu. Die Nebenstraßen waren ruhig, aber auf der Hauptstraße vor sich konnte sie Gestalten hin und her laufen sehen.
    Queen Street. Saras Straße, dachte sie plötzlich und erinnerte sich an ihren alten, nur halb wahrgenommenen Neid, den sie für die Leichtigkeit empfunden hatte, mit der ihre Schwester sich hier bewegte.
    Aber jetzt … Jetzt besaß Ardeth eine Kraft, von der ihre Schwester nie zu träumen gewagt hatte. Jetzt konnte die Straße ihr gehören. Jeder ihrer schwarz gekleideten Bewohner mit all seiner Kraft, seinem Lebensstil und seinen Ambitionen, konnte ihr gehören.
    Sei vorsichtig, warnte ihre Vernunft, halt dich von hier fern – Sara könnte dich sehen. Aber der Geschmack von Petersons Blut in ihrem Mund, an den sie sich erinnerte, und das Gefühl von Roias’ Mund an ihrem Schenkel schlugen die Warnung in den Wind.
    Es war früher Abend, und obwohl es Montag war, hatte das warme Wetter dafür gesorgt, dass die Straße voller Menschen war. Die Stadt sorgsam in Kieze aufgeteilt, war dies das Heim der Künstler und des linken Flügels, wo man mit seinem Aussehen eine Aussage über seine Ziele machte, und wo die Graffiti eindeutig eine politische Botschaft vermittelten. Hier waren auch einige der coolsten Clubs der Stadt und eine große Anzahl von Musikern, Künstlern und Designern beheimatet. Oder solche, die sich dazu berufen fühlten oder es von sich behaupteten.
    Ardeth erinnerte sich daran, wie Sara sich beklagt hatte, dass die Second-Hand-Läden zusehends verschwanden und teuren Designern Platz machten – wenn auch solchen, für die Schwarz nie aus der Mode kam. Die Antiquariate waren ebenso verschwunden, den steigenden Mieten zum Opfer gefallen. Und die Restaurants zogen jetzt ebenso sehr Yuppies an, die das Erlebnis der Slums suchten, wie echte Avantgarde. Ardeth hatte bewusst darauf verzichtet, ihre Schwester zu fragen, wie man echte Avantgardisten von denjenigen unterschied, die nur die richtige Kleidung trugen.
    Sie lächelte bei der Erinnerung daran, als sie die Straße hinunterblickte. Der Unterschied zwischen Pose und Person, zwischen Künstlern und Künstlichem interessierte sie jetzt nicht mehr. Für sie kam es auf die sich dauernd verändernde Bevölkerung der Straße an, die ihrem Wesen nach vergänglich war. Auf die laute Dunkelheit der Clubs, wo Leute mit blassen

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