Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Couch bequem und bot ihr seine Bierflasche an. Sie lehnte ab und nahm stattdessen einen Schluck aus dem Weinglas, das vor ihr auf dem Balkongeländer stand.
»Und, wie ist es dir in letzter Zeit so ergangen?«, fragte Conrad beiläufig. Ardeth lachte.
»Wenn mich das noch eine einzige Person in diesem vorsichtigen Tonfall fragt …« Sie seufzte und schüttelte dann leicht den Kopf. »Mir geht’s gut, Con, ehrlich. Aber alle scheinen zu denken, dass ich schwarze Kleidung und eine gebührend tragische Miene tragen sollte. Ich höre meine Studenten die ganze Zeit darüber flüstern. Es tut mir leid, dass Tony tot ist, aber ich habe nicht vor, auf Ewigkeit die trauernde Witwe zu spielen.«
»Na, das würde ich auch nicht von dir erwarten. Ich habe ohnehin nie ganz begriffen, was du an ihm gefunden hast. Schließlich war er manchmal ein richtig aufgeblasener Esel. Aber ich sollte wohl nichts Schlechtes über einen Toten sagen, oder?« Das Bedauern in seiner Stimme war so aufgelegt, dass sie lachen musste. Du solltest es ihm sagen, flüsterte eine innere Stimme. Es ist dunkel und still, und wenn er dich für verrückt erklärt, kannst du immer noch behaupten, betrunken zu sein. Wenn du ihn fragst, dann weißt du es wenigstens endlich.
»Con«, begann sie ganz beiläufig, »hat dich die Firma Armitage Historische Studien jemals wieder angerufen? Ich meine, nach der Party, auf der du und ich und Tony uns über unsere Arbeit für diese Leute unterhalten haben?«
»Ja, jetzt wo du es erwähnst, fällt es mir wieder ein. Sie wollten meine Aufzeichnungen haben.«
»Die wollten sie von mir auch. Hast du sie ihnen gegeben?«
»Selbstverständlich.«
»Ist dir das nicht seltsam vorgekommen? Ich hatte noch nie einen Auftrag, wo die Leute später meine Aufzeichnungen wollten.«
»Na ja, etwas seltsam ist das schon. Aber für das Geld, das die mir für die Arbeit bezahlt haben, hätten die jede Notiz von mir haben können, die ich je verfasst habe. Selbst die unanständigen.«
Ardeth rutschte etwas zur Seite, um ihn ansehen zu können. Als sie dann zu reden begann, hatte sie ihre Stimme unbewusst leiser geschraubt. Über das Gelächter von unten war ihr Gespräch im Garten nicht zu hören. »Con, wenn ich dir jetzt etwas erzähle, versprichst du mir dann, mich bis zum Ende anzuhören und mich nicht auszulachen, wenigstens so lange nicht, bis ich fertig bin?«
»Ich werde mir alle Mühe geben.«
»Zwei Tage vor der Party damals hat es in einem verlassenen Lagerhaus in der Innenstadt gebrannt. Ich hab es in denselben Nachrichten gesehen, aus denen ich auch von Tony erfahren habe. Dieses Lagerhaus war eines von denen, die ich für Armitage untersucht habe – du weißt schon, ich sollte die Besitzverhältnisse von der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bis jetzt überprüfen. Bei dem Feuer sind drei Männer ums Leben gekommen, aber niemand wusste, was sie dort zu suchen hatten. Dann hat Armitage angerufen und meine Aufzeichnungen verlangt. Ich habe sie ihnen gegeben, aber vorher habe ich mir eine Kopie gemacht.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht. Ich hatte einfach so ein Gefühl. Ich habe es nicht fertiggebracht, all die Informationen herauszugeben und nichts mehr in der Hand zu haben.« Sie drehte sich wieder etwas weg, um auf die dunklen Silhouetten der Bäume zu starren. Es war leichter, alles zu erzählen, wenn sie seine Augen dabei nicht sah, entschied sie. »Vielleicht war es, um nicht immer an Tony denken zu müssen, vielleicht auch, um mich von meiner Doktorarbeit abzulenken. Aber ich habe mir jedenfalls meine Aufzeichnungen noch einmal durchgelesen. Dieses Lagerhaus stand lange Zeit leer und hat vorher einer Reihe von Firmen, einer Bank sowie einem verschollenen russischen Wollhändler und einer schottischen Schifffahrtsgesellschaft gehört. Nichts Ungewöhnliches zu finden. Ich habe die ganze Geschichte vergessen, bis vor ein paar Tagen jemand vom Katasteramt anrief. Ich hatte ihm meine Telefonnummer gegeben, als ich dort recherchierte. Er sagte mir, das Lagerhaus an der River Street sei wieder verkauft worden. Zwei Wochen, nachdem ich meine Ergebnisse abgeliefert hatte, hat eine Firma das Lagerhaus gekauft. Ich dachte, ich sollte Armitage anrufen und es ihnen sagen.«
»Du willst dich wohl wieder mal einschmeicheln, Ardy?«, fragte Con mit spöttischem Unterton.
»Ja, wenn du so willst. Und außerdem wollte ich wissen, was sie eigentlich mit der Recherchearbeit angefangen haben, die ich für sie gemacht hatte.
Weitere Kostenlose Bücher