Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
hatte liefern können, waren nicht viel mehr als betrunkenes Gefasel gewesen. Aber das, was er heute Nacht zu erzählen hatte, verspricht anders zu sein.
Wie es scheint, ist einer seiner Kumpane mit einer Frau bekannt, die sich ihren Lebensunterhalt als Hure verdient (bedauerlicherweise muss man sagen, dass selbst die respektabelste Stadt von ihresgleichen heimgesucht wird). Wie Collins’ Freund zu berichten wusste, kommen einige Huren von Zeit zu Zeit zusammen, um sich über die widerwärtigen Details ihres Berufs auszutauschen und sich gegenseitig vor den Maßnahmen der Polizei zu warnen, ihr Gewerbe zu behindern. Eines der Themen ihrer letzten Zusammenkunft war ein Freier, der mehrere von ihnen aufgesucht hatte. Ein Mann in mittleren Jahren, von ausländischer Herkunft, dem der Ruf voranging, spendabel zu sein und ihresgleichen anständig zu behandeln. Doch stellten sie alle, so Collins Gewährsmann, zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sich keine von ihnen an die genauen Details der Transaktion erinnern konnte.
Ich deutete an, dass dies ja kaum zu überraschen brauchte, wenn man den Zustand der Trunkenheit in Betracht zog, in dem die meisten dieser Frauen sich meist befinden mussten. Aber Collins beharrt darauf, dass sein Freund mit Nachdruck angab, eine Reihe dieser Dirnen würden dem Alkohol nur in ihren Mußestunden frönen. Zusätzlich traten auch noch weitere Merkwürdigkeiten auf, wenn sie diesem Kunden begegneten. Einige Huren berichteten, dass sie nach seinen Besuchen einer ungewöhnlichen Müdigkeit zum Opfer gefallen seien. Und eine oder zwei erklärten ausdrücklich, dass sie – obwohl sie glaubten, mit ihm den üblichen Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben – keinerlei physische Beweise dafür vorgefunden hatten, obwohl dergleichen üblicherweise in ihren schmutzigen Bettlaken zu entdecken war.
Nachdem Mr. Collins seinen Bericht beendet hatte, entlohnte ich ihn wie gewöhnlich und sandte ihn mit den Worten aus, dass ich für ein Gespräch mit einer dieser Huren zu zahlen bereit sei. Collins hat natürlich keine Ahnung, worauf mein Verdacht tatsächlich abzielt (er scheint zu glauben, dass ich belastende Informationen über einen Geschäftskonkurrenten suche), und mein Name darf in Verbindung mit seinen Ermittlungen nie erwähnt werden.
Nachdem er gegangen war, setzte ich mich hin, um dies niederzuschreiben. Wenn ich jetzt noch einmal lese, was ich geschrieben habe, und mir die vorangegangenen Beweise ansehe, die mich erst zu diesen Ermittlungen veranlasst haben, bin ich mehr denn je überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein.
Ich höre Henry an der Tür, ohne Zweifel wieder mit irgendeinem Plan, wie man ein gutes Geschäft tätigen kann. So sehr es mich erleichtert, meinen Wohlstand in guten Händen zu wissen, wünsche ich mir manchmal, dass er für meine Erforschung der okkulten Geheimnisse dieser Welt ebenso viel Respekt wie für mein Vermögen aufbringen könnte. Denn was bedeutet schon eine weitere Bank oder Gesellschaft oder Eisenbahnlinie im Vergleich mit dem Lohn, den ich derzeit anstrebe.
1
Es war eine jener Partys, die in der Regel damit endeten, dass die Leute ohnmächtig auf dem Boden herumlagen. Das erkannte Ardeth Alexander in dem Augenblick, als sie durch die Tür trat und Peter sie in bierseligem Überschwang umarmte.
»Willkommen zur Weltuntergangsfeier«, sagte er, als er sie losließ.
»Ich dachte, dies wäre deine Geburtstagsparty.«
»Hab ich auch gedacht. Aber das Semester ist zu Ende, und das heißt, dass wir dem Leben außerhalb des Elfenbeinturms entgegentreten müssen. Für die meisten von uns könnte das genauso gut auch das Ende der Welt sein. Alle sind darüber so deprimiert, dass sie gar nicht in der Lage sind, lediglich das bedeutendste Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts zu feiern.«
»War es das denn?«
»Selbstverständlich.«
»Na, wenn du es sagst. Meine Spezialität ist ja das neunzehnte Jahrhundert, wie du weißt. Wir nehmen die Welt nach 1899 nicht zur Kenntnis«, sagte Ardeth und reichte ihm die in Silberpapier verpackte Flasche mit Remy Martin. Als ob diese Party noch weiteren Alkohol braucht, dachte sie mit einem Anflug von Sarkasmus. »Trotzdem alles Gute zum Geburtstag. «
»Hab vielen Dank«, erwiderte Peter mit einer übertrieben vornehmen Höflichkeit, die überhaupt nicht zu seinem sonstigen Erscheinungsbild passen wollte. »Bergbewohner der Frühzeit«, hatte seine Freundin Lise es einmal genannt. Er trat zur Seite, damit der
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