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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Kirche mit dem Abladen der letzten Fuhre zu beginnen. Das Schweineblut hatte viele der Schwerter dunkel und klebrig gemacht. Es würde Stunden dauern, um sie zu säubern. Und würden sie überhaupt jemals wieder rein werden können, fragte einer der Männer mit gerümpfter Nase.
    »Dem Blut, das uns alle gerade vor einer Entdeckung gerettet hatte, solltest du Dankbarkeit erweisen«, sagte der Padre in ungewohnt scharfem Ton. »Ich hoffe, es hilft, das Vergießen von Menschenblut zu vermeiden, egal, ob von Christen oder von Muslimen. Nur deswegen lasse ich euch überhaupt in mein Allerheiligstes. Um sinnloses Metzeln auf beiden Seiten zu verhindern.«
    Da gab es etwas, was seit Stunden in Lucia rumorte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ, etwas, das wie eine Ahnung durch ihr Bewusstsein trieb und sich jedes Mal entzog, wollte sie es sich näher betrachten.
    Sie hatte etwas übersehen .
    Trotz dieses zermürbenden Gedankens waren ihr schon halb die Augen zugefallen, inzwischen nicht mehr nur Fuego neben sich, sondern auch noch Djamila. Die junge Maurin hatte auf einmal behauptet, im Haus spuke es, und sich standhaft geweigert, allein zu schlafen. Die ungewohnte Nähe zu der jungen Frau fühlte sich nicht einmal unangenehm an, als verbinde das Ungeborene in ihrem Bauch sie bereits miteinander.
    So viele Jahre hatte Lucia es genossen, Antonios einziges Kind zu sein und seine väterliche Liebe mit niemand anderem teilen zu müssen, doch plötzlich hatte der Gedanke an ein Geschwisterchen nichts Erschreckendes mehr für sie – ganz im Gegenteil. Sie freute sich auf die Geburt, und ihrem Vater würde es neuen Mut schenken, falls er jemals dem Kerker entkommen konnte.
    Sie musste ihn retten. Und Nuri und ihre Familie dazu!
    Mit einem Mal schoss sie nach oben, so abrupt, dass auch Djamila zusammenfuhr und sich unwillkürlich an Lucias Hand klammerte.
    »Ist etwas passiert?«, murmelte sie schlaftrunken. »Sind sie wieder da? Müssen wir fliehen?«
    »Schlaf weiter«, sagte Lucia mit klopfendem Herzen, weil ihr plötzlich eingefallen war, was sie übersehen hatte.
    Das Kostbarste im Heiligsten. Dort, wo niemand jemals danach suchen wird. Da ist der Schatz am sichersten aufgehoben …
    Das Kreuz in der Krypta mit den zahllosen Edelsteinen – wem würde in einer Schüssel voller Erbsen eine einzelne Erbse auffallen?

9
    Z itternd vor Aufregung stand Lucia in der Krypta, neben Tante Pilar, die eine dicke Kerze hielt, um das Dunkel der grob behauenen Felsen ringsumher zu erhellen, und starrte auf das alte Kreuz. Padre Manolo war ein paar Schritte zurückgetreten, als wollte er ihr genügend Raum für ihre Suche geben und zugleich den Eingang sichern, doch nach einer Weile drehte Lucia sich hilfesuchend zu ihm um.
    »Es sind einfach zu viele Edelsteine«, sagte sie bedrückt. »Einen blauen mit einem besonderen Schliff kann ich nirgendwo entdecken. Aber ich habe den Stein ja auch noch nie im Leben in der Hand gehabt! Könnte ich nicht doch vielleicht Miguel holen, der ihn kennt …«
    »Ganz und gar unmöglich!«, rief der Priester. »Dass ich das Geheimnis der Krypta preisgegeben habe, raubt mir ohnehin den letzten Schlaf. Aber blieb mir denn anderes übrig?« Seine Hände deuteten erst nach rechts, dann nach links. »Bedrohte Bücher und verbotene Waffen, um weiteres Blutvergießen auf beiden Seiten zu vermeiden. Ich kann nur hoffen, meine Rechnung geht auf!«
    Erst nachdem sie die Schwerter gesehen hatte, die ordentlich gestapelt und von dicken Decken geschützt in der Krypta lagerten, begriff Lucia, weshalb der Padre zunächst gezögert hatte, sie abermals hinunterzulassen. Dass es die Waffenlieferung für die Söhne Allahs war, die Rashid erwähnt hatte, musste niemand laut aussprechen. Wie raffiniert, sie ausgerechnet unter einer christlichen Kirche zu verbergen – doch welch zusätzliche Last hatte der tapfere Padre damit auf sich geladen!
    Pilar schien Ähnliches zu denken, so sorgenvoll waren die Blicke, die sie ihm zuwarf.
    »Er sagt die Wahrheit, Lucia«, sagte sie. »Je mehr Menschen von der Krypta wissen, desto gefährlicher wird es! Und so leid es mir tut – der Hyazinth befindet sich nicht im Kreuz. Ich fürchte, damit werden wir uns abfinden müssen.«
    »Aber Miguel ist ein Freund – und er liebt Nuri«, rief Lucia. »Er würde alles tun, um sie retten, das weiß ich.« Abermals starrte sie auf das Kreuz, obwohl ihre Augen vor Anstrengung und Enttäuschung bereits zu tränen begonnen hatten. So sicher war sie

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