Die Nacht von Granada
Inquisitor bekannt«, sagte Talavera nachdenklich und verzog seinen Mund, nachdem er von seiner bitteren Medizin gekostet hatte. Seine Hand griff stattdessen zum Weinpokal und leerte ihn trotz aller ärztlichen Verbote bis zur Neige. »Unerbittlich im Vorgehen, aber äußerst effektiv. In Toledo soll er die Feinde des Glaubens …«
»Toledo ist nicht Granada«, unterbrach der Padre ihn kühn. »Und wird es niemals sein. Von welchen › Feinden ‹ sprichst du überhaupt? Haben hier nicht die Religionen am längsten im ganzen Reich friedlich zusammengelebt, über viele Jahrhunderte? Aber das kann Lucero nicht verstehen, weil er es niemals erlebt hat. Sein Abscheu vor allem, was maurisch ist, macht ihn engstirnig und unberechenbar. Um ihre Schändlichkeit anzuprangern, ist ihm alles recht. Er scheut nicht einmal davor, Unschuldige …«
Lautes Klopfen, dann kam der junge blonde Sekretär des Erzbischofs mit großen Schritten hereingestürmt.
»Es ist sehr dringend, Exzellenz«, sagte er. »Ihre Majestät, die Königin, begehrt Euch zu sehen. Die Sänfte, die Euch zu ihr auf die Alhambra bringen soll, wartet bereits vor dem Portal.«
Talavera zuckte bedauernd die Schultern.
»Damit ist unsere anregende Unterhaltung für den Augenblick leider beendet«, sagte er. »Die Königin von Spanien darf nicht einmal ein Erzbischof warten lassen.«
»Nimm mich mit, Bruder Hernando«, rief der Padre beschwörend. »Wenigstens ein kurzes Stück. Ich muss dir doch noch so vieles über Lucero und seine Machenschaften erzählen!«
»Ein anderes Mal. Schon sehr, sehr bald, du kannst dich darauf verlassen. Doch die kurze Strecke bis zur Roten Burg gehört mir allein!«
Lucia hatte sich zunächst geweigert, mitzukommen, doch Tante Pilar duldete keinerlei Widerspruch.
»Jeder im Viertel weiß, was für ein übles Weib diese Consuelo ist«, sagte sie, während sie Lucia hinter sich herzog. »Aber wir wollen ja schließlich nicht zu ihr, sondern zu ihrem Mann. Kennst du in Granada einen besseren Zimmermann als Pedro? Na, also!«
Dieser Pedro unterbrach seine Arbeit an einem halbfertigen Tisch und legte den Hobel beiseite, als sie eintraten. In der Werkstatt war es kühl, trotz eines gut gefüllten Kohlebeckens, doch der ganze Raum war erfüllt vom frischen, herben Duft nach Olivenholz.
Augenblicklich kam ihr Miguel in den Sinn – Miguel mit seiner Liebe zu diesen besonderen Bäumen. Miguel, der litt, weil Nuri im Kerker saß. Miguel, der ihnen geholfen hatte, als sie ins Haus seines Onkels eingestiegen waren, und plötzlich überkam sie beinahe so etwas wie Bedauern.
Warum konnte sie nicht ihn lieben, der so sanft, so liebevoll, so unkompliziert schien?
Dann jedoch schob sich Rashids Bild wieder davor und ihr Herz begann sofort schneller zu schlagen. Wir können uns nicht aussuchen, wenn wir lieben, hatte Tante Pilar gesagt. Wie recht sie doch damit hatte!
»Träumst du, Lucia?« Ein dezenter Rempler von Pilar brachte sie in die Gegenwart zurück. »Ich bin gerade dabei, Pedro zu erklären, was wir von ihm wollen: Die Tür von Kamals Haus muss wieder richtig schließen, nachdem die Rotkappen sie demoliert haben. Sonst nistet sich noch Gesindel bei ihnen ein. Die Rechnung geht auf mich. Darüber musst du dir keine Sorgen machen, Pedro!«
Der Zimmermann nickte bedächtig, offenkundig kein Mann vieler Worte, aber ein Handwerker, der fleißig und gewissenhaft arbeitete.
»Klingt so, als sollte es am besten schnell gehen«, sagte er. »Ich hab schon gehört, was der ganzen Familie zugestoßen ist …«
»Nichts, was sie nicht verdient hätte! Jetzt ist endlich Schluss mit diesem unerträglichen Hochmut. Spanien hat nur eine einzige Religion – die Heilige Katholische Kirche!«
Consuelo stand in der Tür, den Mund höhnisch verzogen. In ihrer Jugend musste sie eine Schönheit gewesen sein, mit üppigen Hüften, grazilen Händen und dunklem, glänzendem Haar, die vielen Männern den Kopf verdreht hatte. Jetzt aber hatte stumpfes Grau das ehemals leuchtende Braun besiegt, die Lider waren schwer geworden und um die Lippen hatten sich scharfe, resignierte Linien eingekerbt. Als besonders unangenehm empfand Lucia den Geruch, den die Frau des Zimmermanns verströmte: das laue, leicht süßliche Aroma ungeliebter Frauen, die auf Rache sinnen.
»Wie kannst du so etwas nur sagen!«, fuhr Lucia auf. »Sie haben das gleiche Recht, in Frieden zu leben, wie du. Außerdem ist keiner von ihnen jemals hochmütig …«
»Lucia, bitte!«
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