Die Nacht von Granada
Schwertkämpfe aus, die ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten.
»Meinst du nicht, eure Schwerter machen alles nur noch schlimmer?«, fragte sie schließlich. »Vater hat immer gesagt, Gewalt gebäre nur neue Gewalt …«
»Weil wir Mauren uns jetzt endlich wehren können, anstatt uns wie bisher von den Christen abschlachten zu lassen?« Sein Mund war plötzlich hart geworden. »Die Zeit der Lämmer ist vorbei, Lucia. Jetzt sind die Falken an der Macht. Außerdem siehst du ja, wohin Antonios Sanftmut ihn gebracht hat!« So hart, so entschlossen sah er aus, dass ihr noch banger zumute wurde.
»Du könntest dabei sterben«, sagte sie. »Was wird dann aus mir?«
»Wir alle müssen eines Tages sterben.« Er wandte sich zu ihr um. »Jetzt holen wir erst einmal deinen Priesterfreund aus dem Bett!«
Doch statt zum benachbarten Pfarrhaus zu gehen, war Lucia bereits auf das Portal zugelaufen.
Zu ihrer Überraschung war es nicht abgeschlossen. Sie ging hinein, und neben ihr, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, trabte Fuego. Aus Respekt vor der Heiligkeit des Ortes wollte sie ihn schon verscheuchen, doch dann hielt sie mitten in der Bewegung inne. Padre Manolo hatte ihr nicht nur vom Bischof von Myra erzählt, sondern auch vom heiligen Franziskus, der in Italien gelebt, Armut gepredigt und alle Tiere als Geschöpfe Gottes gepriesen hatte.
Der Allmächtige konnte also nichts gegen ihren kleinen Freund in seinem heiligen Haus einzuwenden haben!
Das Kirchenschiff war dunkel, bis auf drei hohe weiße Kerzen, die neben dem Altar brannten. Der Priester kniete auf der untersten Stufe, die Hände zum Gebet gefaltet. Falls er verblüfft war, Lucia mitten in der Nacht in seiner Kirche zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken, nicht einmal, als sein Blick auf den roten Kater neben ihr fiel.
»Für Nuri, Saida und Kamal?«, fragte Lucia leise.
Padre Manolo nickte und erhob sich.
»Dann solltet Ihr noch eine vierte Kerze anzünden«, sagte Rashid, der seinen Widerwillen überwunden hatte und Lucia doch noch in die Kirche gefolgt war. »Für Antonio Álvarez, der heute verhaftet wurde.« Seine Stimme wurde schneidend. »Geht ihr Christen jetzt schon so gegen eure eigenen Leute vor? Das müsst ihr einem törichten Moslem wie mir erklären!«
»Sie haben deinen Vater verhaftet? Ist das wahr, Lucia?« Das schmale Gesicht des Priesters wirkte plötzlich noch eingefallener. »Aber er ist doch unschuldig!«
»Das ist mein Vater auch«, sagte Rashid in bitterem Ton. »Von meiner Mutter und meiner Schwester ganz zu schweigen! Doch was macht das schon für einen Unterschied? Wo es dem Inquisitor von Granada doch solche Freude bereitet, Maurenblut zu vergießen!«
»Ich kann verstehen, dass Ihr verzweifelt seid …«, begann Padre Manolo.
»Verzweifelt?«, unterbrach ihn Rashid. »In mir schwelt so viel Zorn, dass es für eine ganze Armee ausreichen würde. Was haben wir euch getan? Ist unser Blut wirklich unreiner als eures?«
»Natürlich nicht«, sagte der Priester müde. »Die drei heiligen Religionen des Buches sind Brüder, die lange Zeit in Frieden und Wohlstand miteinander gelebt haben. Unter meinen Freunden sind viele Mauren, und von ihnen allen schätze ich besonders Imam Hasan, mit dem ich über Jahre viele lehrreiche Dispute geführt habe. Daran hat sich für mich bis heute nichts geändert.«
»Ach, Worte, nichts als Worte!«, stieß Rashid hervor. »Darin seid ihr Christen wahre Meister. Worte, die nichts bedeuten. Worte, die im nächsten Augenblick ganz anders ausgelegt werden können, wie die nutzlose Tinte unter dem Übernahmevertrag* beweist, die uns alles garantiert – und doch nichts davon gehalten hat! Aber damit begnügen wir uns nicht länger. Ihr habt das Schwert gegen uns gezogen – nun schlagen wir Söhne Allahs auch mit dem Schwert zurück!«
Sein Gesicht verriet seine Wut, und dennoch erkannte der Priester die tiefe Traurigkeit, die dahinter lag. Er hatte keine leiblichen Kinder, und dennoch fühlte er sich mehr denn je wie ein Vater, von dessen Klugheit und Besonnenheit alles abhing.
»Wie kann ich dir helfen, mein Sohn?«, sagte er sanft. »Vertrau mir. Mein Wort gilt!«
»Beweist es mir!«, forderte Rashid. »Aber ich wette, spätestens jetzt werdet Ihr kneifen!«
»Was verlangst du?«
»Wir brauchen einen sicheren Ort, an dem wir einen Schatz verstecken können. Einen gefährlichen Schatz, der niemals in christliche Hände fallen darf.« Rashid beobachtete den Padre argwöhnisch.
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