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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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blechernen Sarge, und ich wußte plötzlich, daß die Drohung schon lange hinter uns gestanden hatte, ein fahler Hintergrund, auf dem unser Leben schärfere Konturen angenommen hatte, wie ein Wald in der Sonne vor einer Gewitterwand.
      Irgendwann kam Dubois zurück. Er hatte einen kleinen Spitzbart und war wahrscheinlich ein Badearzt, der für Husten und Katzenjammer leichte Sachen verschrieb. Als ich ihn herantänzeln sah, verzweifelte ich. Dies war die stille Saison in Biarritz; er mußte wohl dankbar sein für alles, was sich ihm bot. ›Ihre Frau Gemahlin -‹, sagte er.
      Ich starrte ihn an. ›Was?‹ sagte ich. ›Sagen Sie, zum Teufel, die Wahrheit, oder sagen Sie nichts.‹
    Ein schmales, sehr schönes Lächeln veränderte ihn für einen Moment völlig. ›Dies‹, sagte er, zog einen Rezeptblock hervor und schrieb etwas Unleserliches auf ›Hier! Besorgen Sie sich dies in der Apotheke. Lassen Sie sich das Rezept zurückgeben, wenn Sie es abgeholt haben. Sie können es immer wieder benützen. Ich habe es darauf vermerkt.‹
    Ich nahm den weißen Zettel. ›Was ist es?‹ fragte ich.
      ›Nichts, was Sie ändern können. Vergessen Sie das nicht! Nichts, was Sie noch ändern können.‹
      ›Was ist es? Ich will die Wahrheit wissen, keine Geheimnisse!‹
      Er antwortete nicht darauf. ›Wenn Sie es brauchen, gehen Sie zu einer Apotheke‹, sagte er. ›Man wird es Ihnen geben.‹
    ›Was ist es?‹
      ›Ein starkes Beruhigungsmittel. Man bekommt es nur auf ärztliche Verschreibung.‹
    Ich nahm es. ›Was bin ich Ihnen schuldig?‹
    ›Nichts.‹
      Er tänzelte von dannen. An der Ecke der Straße drehte er sich um.
      ›Holen Sie es, und lassen Sie es irgendwo liegen, wo Ihre Frau es finden kann! Reden Sie nicht mit ihr darüber. Sie weiß alles. Sie ist bewundernswert.‹
      ›Helen‹, sagte ich zu ihr. ›Was bedeutet dies alles? Du bist krank. Warum willst du nicht mit mir darüber sprechen?‹
      ›Quäle mich nicht‹, erwiderte sie sehr matt. ›Laß mich so leben, wie ich es will.‹
    ›Willst du nicht mit mir darüber sprechen?‹
    Sie schüttelte den Kopf. ›Es ist nichts zu sprechen.‹
    ›Ich kann dir nicht helfen?‹
    ›Nein, Liebster‹, erwiderte sie. ›Diesmal kannst du mir nicht helfen. Wenn du es könntest, würde ich es dir sagen.‹
      ›Ich habe noch den letzten Degas. Ich kann ihn hier verkaufen. Es gibt reiche Leute in Biarritz. Wir bekommen genug Geld dafür, um dich in ein Krankenhaus zu bringen.‹
      ›Damit man mich einsperrt? Es würde auch nichts nützen. Glaube es mir!‹
    ›Ist es so schlimm?‹
      Sie sah mich so gehetzt und trostlos an, daß ich nicht weiter fragte. Ich beschloß, später zu Dubois zu gehen und ihn noch einmal zu fragen.«
    Schwarz schwieg. »Hatte sie Krebs?« fragte ich.
      Er nickte. »Ich hätte es längst ahnen sollen. Sie war in der Schweiz gewesen, und man hatte ihr damals gesagt, daß man sie noch einmal operieren könne, aber es würde nichts nützen. Sie war bereits vorher operiert worden; das war die Narbe, die ich gesehen hatte. Der Professor hatte ihr dann die Wahrheit gesagt. Sie konnte wählen zwischen ein paar mehr nutzlosen Operationen und einem kurzen Stück Leben ohne Krankenhaus. Er hatte ihr auch erklärt, daß man nicht bestimmt sagen könne, ob das Hospital ihr Leben verlängern würde. Sie hatte sich gegen die Operationen entschieden.«
    »Sie wollte es Ihnen nicht sagen?«
      »Nein. Sie haßte die Krankheit. Sie versuchte, sie zu ignorieren. Sie fühlte sich beschmutzt, als ob Würmer in ihr herumkröchen. Sie hatte das Gefühl, daß die Krankheit ein qualliges Tier sei, das in ihr lebte und wüchse. Sie glaubte, ich würde mich vor ihr ekeln, wenn ich es wüßte. Vielleicht hoffte sie auch immer noch, sie könne die Krankheit ersticken, indem sie keine Kenntnis davon nähme.«
    »Haben Sie mit ihr nie darüber gesprochen?«
      »Kaum«, sagte Schwarz. »Sie hat mit Dubois gesprochen, und ich habe Dubois später gezwungen, es mir zu berichten. Von ihm bekam ich dann die Mittel. Er erklärte mir, daß die Schmerzen zunehmen würden; aber es könne auch sein, daß alles rasch und barmherzig ende. Mit Helen sprach ich nicht. Sie wollte nicht. Sie drohte mir, sie werde sich töten, wenn ich ihr keine Ruhe ließe. Ich tat dann so, als glaube ich ihr - als seien es Krämpfe harmloser Natur. Wir mußten fort aus Biarritz. Wir betrogen uns gegenseitig. Helen beobachtete mich und ich sie, aber

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