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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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einem Lager in Deutschland gewesen sei, und eine andere, daß Georg nach Helen und mir suche, um uns zurückzubringen. Mir wurde gesagt, in einer Woche wiederzukommen. Draußen schüttelte mir der junge Amerikaner die Hand. ›Nett, daß wir uns getroffen haben. Hier -‹ er kramte eine Visitenkarte hervor, ›rufen Sie mich an, wenn Sie drüben sind.‹
      Er winkte mir zu und wollte weggehen. ›Und wenn etwas passiert? Wenn ich Sie noch brauche?‹ fragte ich.
      ›Was soll noch passieren? Alles ist in Ordnung.‹ Er lachte. ›Mein Vater ist ziemlich bekannt. Ich habe gehört, daß morgen ein Boot nach Oran geht; das möchte ich nehmen, bevor ich zurückfahre. Wer weiß, wann ich wieder herkomme. Besser, noch anzusehen, was man kann.‹
    Er verschwand. Ein halbes Dutzend Emigranten umringte mich und wollte seinen Namen und seine Adresse wissen; sie ahnten, was geschehen war, und wollten dasselbe für sich. Als ich ihnen sagte, ich wüßte nicht, wo er in Marseille wohne, beschimpften sie mich. Ich wußte es tatsächlich nicht. Ich zeigte ihnen die Karte mit der amerikanischen Adresse. Sie schrieben sie auf. Ich sagte ihnen, es sei nutzlos, der Mann wolle nach Oran. Sie erklärten, dann würden sie am Dampfer auf ihn warten. Ich kam in zwiespältiger Stimmung nach Hause. Vielleicht hatte ich alles verdorben, weil ich die Karte gezeigt hatte; aber ich war im Augenblick entschlußlos gewesen, und je weiter ich ging, um so aussichtsloser erschien mir ohnehin alles.
      Ich sagte es Helen. Sie lächelte. Sie war sehr sanft an diesem Abend. In dem kleinen Zimmer, das wir besaßen und das wir von einem Untermieter untergemietet hatten - Sie kennen ja die Adressen, die von Mund zu Mund weitergegeben werden -, sang ein unermüdlicher, grüner Kanarienvogel, für dessen Pflege wir uns verpflichtet hatten. Eine fremde Katze kam wieder und wieder von den umliegenden Dächern und hockte im Fenster, die gelben Augen starr auf den Vogel gerichtet, der in seinem Drahtbauer von der Decke hing. Es war kalt, aber Helen wollte die Fenster offen haben. Ich wußte, daß sie Schmerzen hatte; es war eines der Zeichen.
      Das Haus wurde erst spät ruhig. ›Erinnerst du dich noch an das kleine Schloß?‹ fragte Helen.
      ›Ich erinnere mich daran, als ob jemand es mir erzählt hätte‹, erwiderte ich. ›Als ob nicht ich, sondern ein anderer dagewesen sei.‹
    Sie sah mich an. ›Vielleicht stimmt das. Jeder hat mehrere Personen in sich‹, sagte sie dann. ›Ganz verschiedene. Und manchmal werden sie selbständig und regieren eine Zeitlang, und man ist ein anderer Mensch, einer, den man vorher nie gekannt hat. Aber man kommt zurück! Kommt man nicht?‹ fragte sie drängend.
      ›Ich hatte nie mehrere Personen in mir‹, erklärte ich. ›Ich bin immer monoton derselbe.‹
      Sie schüttelte heftig den Kopf. ›Wie du dich irrst! Du wirst erst später merken, wie du dich irrst.‹
    ›Wie meinst du das?‹
      ›Vergiß es. Sieh die Katze im Fenster! Und den ahnungslos singenden Vogel! Wie das Opfer jubiliert!‹
      ›Sie wird ihn nie bekommen. Er ist sicher in seinem Käfig.‹
      Helen brach in Lachen aus. ›Sicher in seinem Käfig‹, wiederholte sie. ›Wer will in einem Käfig sicher sein?‹
      Gegen Morgen wachten wir auf Die Concierge schimpfte und schrie. Ich öffnete die Tür, angezogen und fertig zur Flucht, aber ich sah keine Polizei. ›Das Blut!‹ schrie die Frau. ›Konnte sie das nicht anderswo machen? Die Schweinerei! Und jetzt kommt die Polizei! Das kommt davon, wenn man menschenfreundlich ist! Man wird ausgenutzt! Und die Miete ist sie schuldig seit fünf Wochen!‹
    Auf dem engen Korridor drängten sich im grauen Licht
    die Bewohner der andern Zimmer und starrten in den Raum nebenan. Eine Frau von ungefähr sechzig Jahren hatte dort Selbstmord begangen. Sie hatte sich die linke Pulsader aufgeschnitten. Das Blut war am Bett heruntergelaufen. ›Holt den Doktor‹, sagte Lachmann, ein Emigrant aus Frankfurt, der in Marseille mit Rosenkränzen und Heiligenbildern handelte.
    ›Doktor!‹ zeterte die Concierge. ›Die ist seit Stunden tot, sehen Sie das nicht? Das passiert, wenn man euch aufnimmt! Jetzt kommt die Polizei! Soll sie euch alle verhaften! Und das Bett - wer macht das sauber?‹
      ›Wir können es saubermachen‹, sagte Lachmann. ›Lassen Sie die Polizei aus dem Spiel!‹
    ›Und die Miete? Wo bleibt die?‹
      ›Wir können dafür sammeln‹, erwiderte eine alte Frau in

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