Die Nacht von Sinos
Bedauern?«
»Ich hab' ja immer noch das Schiff, nicht wahr? Es könnte schlimmer kommen.«
»Aber nicht viel schlimmer.«
Ich zwang mich zu einem fröhlichen Lachen. »Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir, mein Engel: Ich war früher arm.«
Ich ließ sie stehen, hob die Ladeluke auf und rief nach Hakim. Er kam vorsichtig herausgeklettert. Sein Leinenanzug war ölverschmiert.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich wollte Sie nur als Zeuge dabei haben.«
Morgan war inzwischen beim Kinn angelangt und begann, Guyons Gesicht für immer zu bedecken. Hakim sah eine ganze Weile auf den toten Israeli herab und seufzte dann.
»Dann war am Ende doch alles umsonst, Mr. Savage.« Er sah mir direkt in die Augen. »Ich kenne Ihren Werdegang vielleicht besser als Sie selbst. Sie sind kein Feindagent, mein Freund. Wenn Sie nur die Augen zugemacht und sich um Ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert hätten.« Dann war auf einmal ein menschlicher Unterton in seiner Stimme. »Aber warum, um Himmels willen? Sie haben jetzt alles verloren. Alles weggeworfen, und wozu?«
Ich lachte ihm ins Gesicht. »Ich bin vielleicht der letzte der großen Verschwender. Und jetzt schaffen wir ihn über Bord.«
Ich wußte, daß es irgendein hebräisches Gebet für die Toten gab. Aber ich hatte ihm leider nicht mehr zu bieten als ein Vaterunser und ein Ave Maria. Hakim half mir. Wir ließen ihn so sanft ins Wasser gleiten, daß er ohne einen Spritzer unterging.
Canayis war eine winzige Insel, drei Meilen vor der Küste, ein buschbewachsenes Stück Land mit einem langen weißen Strand. Es gab eine Trinkwasserquelle, die besser war als alle anderen Quellen im Land. Deshalb füllten die Fischer dort immer ihre Beutel aus Ziegenleder auf.
Von Süden her gab es eine freie Fahrrinne, die bis an den flachen Strand führte. Ich ließ die ›Gentle Jane‹ mit dem Bug sanft auflaufen. Dann öffnete ich sofort die Luke. Ibrahim und der Militärpolizist kamen schwer atmend ins Freie.
»Los, über Bord«, befahl ich. »Und keine Dummheiten!«
Sie waren viel zu sehr mit Luftschnappen beschäftigt, um auf irgendwelche dummen Gedanken zu kommen. Ibrahim verlor das Gleichgewicht und klatschte bäuchlings ins Wasser.
Hakim drehte sich noch einmal um. »Was ist mit Lady Hamilton?«
»Ich kümmere mich schon um sie. Los, hauen Sie ab.«
»Sie sind ein Narr, Mr. Savage. Ein mutiger Mann, aber ein Narr. Ich hoffe, daß wir uns nie wiedersehen, in Ihrem eigenen Interesse natürlich.«
Er hielt mir die Hand hin. Es wäre kindisch gewesen, sie abzulehnen. Dann kletterte er den beiden anderen nach.
Ich wandte mich an Sarah Hamilton. »So, und nun heißt es Lebewohl.«
Sie fragte ernsthaft: »Was würden Sie tun, wenn ich mich weigere?«
»Sie haben gar keine andere Wahl, wenn Sie unbelastet aus dieser Geschichte herauskommen wollen.« Ich drehte mich zu Morgan um, der in der Kabinentür stand und die Maschinenpistole in der Hand hielt. »Gib mir Feuerschutz, ich bin gleich wieder da.«
Ich sprang in das hüfttiefe Wasser und hielt ihr die Arme entgegen. »Los, kommen Sie.«
Sie sah mich eine ganze Weile an, dann riß sie sich ärgerlich den Rock vom Leib, trat einen Schritt zurück und hechtete ins Wasser.
Sie verlor gleich den Grund unter den Füßen und ging unter. Ich watete auf Sie zu und stellte sie wieder auf die Beine. Die Bluse klebte an ihr wie eine zweite Haut. Ebensogut hätte sie auch völlig nackt vor mir stehen können.
»Lassen Sie die Finger von mir«, fauchte sie mich an und schob mich mit dem rechten Arm weg.
»Ich bin zweiundvierzig«, sagte ich. »In diesem oder im nächsten Jahr werde ich Guyon folgen, viel länger wird's nicht dauern. Dann gehe ich auch mit fünfzig Pfund Ankerkette um die Knöchel über Bord.«
Sie stand regungslos da, und das Wasser schwappte ihr um die Hüften. Sie wischte sich mit der Hand übers Gesicht, und dann - ja bei Gott - dann lächelte sie tatsächlich.
Ich wandte mich ab, zog mich hinauf über die Reling, trat ins Ruderhaus und bugsierte die ›Gentle Jane‹ sanft von der Sandbank weg. In einem weiten Bogen steuerte ich hinaus ins offene Meer.
Meine Hände zitterten, und ich bebte am ganzen Körper. Vermutlich war das die Reaktion, jedenfalls versuchte ich mir das einzureden.
Ich schaltete die automatische Steuerung ein, griff nach Morgans Rumflasche, wich seinem besorgten Blick aus und ging hinauf an Deck. Der Rest in der Flasche schmeckte ekelhaft. Ich schleuderte sie ins
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