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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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früh, Jack. Was wir da zum Trocknen hängen haben, lohnt kaum die Mühe.«
    »Du machst dir zuviel Sorgen«, sagte ich und ließ mich über die Reling fallen.
    Natürlich hatte er recht, nur war das nicht sehr ermutigend. Mit lebenden Schwämmen ist das eine seltsame Sache. Man sieht ihnen meist nicht an, ob sie gut oder schlecht sind; sie sehen alle gleich schön, schwarz und schimmernd aus. Den Unterschied festzustellen, ist eine wahre Kunst, und wenn ich ganz ehrlich sein will, beherrsche ich sie nur recht mittelmäßig.
    Ich machte eine Pause, regulierte die Luftzufuhr und tauchte dann in weitem Bogen hinab. Das Wasser war kristallklar, ich hatte eine phantastische Sicht, alles sah wie durch ein verkehrt herum gehaltenes Fernglas aus.
    Ich hielt eine Weile inne und sah mich um. Plötzlich wurde mir bewußt, daß mir das Tauchen Spaß machte. Ich stieß absichtlich mitten in einen gold-silbern schimmernden Fischschwarm hinein, der blitzschnell auseinanderstob, bis ich allein in dem unendlichen, tiefblauen Gewölbe schwebte.
    Für eine Sekunde wurde ich eins mit meiner Umgebung, Bestandteil einer fremden Welt. Es war, als hätte der Mensch seinen uralten Traum vom Fliegen wahrgemacht, und alles erschien mir möglich. Wieder packte mich dieses unaussprechliche Wunder, das ich damals erfahren hatte, als ich zum erstenmal mit einem Atemgerät hinabstieß.
    Dieses Gefühl hatte ich schon allzu lange nicht mehr empfunden. Ich versuchte diesen wundersamen Augenblick festzuhalten. Aber dann war er wieder vorbei, und ich spürte die innere Spannung, die Besorgnis.
    In acht Faden Tiefe erreichte ich den Boden. Es wurde plötzlich düster. Viele Felsen versperrten mir die Sicht. Sie ragten aus einem wogenden Teppich von Meergras auf.
    Hinter einer Felskante entdeckte ich die ersten Schwämme, aber völlig unbrauchbare Exemplare. Sie waren schwarz und großporig und hatten einen grünlichen Schimmer, der an Verwesung erinnerte. Kein Wunder, daß die Türken diese Schwämme ›Totenfinger‹ nannten.
    Ich war ungefähr zehn Minuten unten und hatte die westliche Spitze umtaucht. Ich schwamm über einen gewaltigen Felsbrocken hinweg und erschrak furchtbar. Unter mir gähnte ein endloser Abgrund. Auf der anderen Seite der Schlucht lag eine sandige Fläche, auf der ein Taucher die schönste Schwammkolonie aberntete, die mir jemals vor Augen gekommen war. Er trug einen normalen Taucheranzug, von dem sich Luftschlauch und Rettungsleine nach oben schlängelten wie eine doppelte Nabelschnur. Er entdeckte mich sofort und hielt inne.
    Ich konnte mir schon denken, wer er war. Ich schwamm über den Abgrund zu ihm hinüber und warf einen Blick durch das Sichtfenster seines Helms. Er hieß Ciasim Divaini und war ein Türke aus Hilas im Golf von Kerma.
    Ich hatte Ciasim und seine beiden Söhne vor ein oder zwei Wochen im Hafen von Kyros kennengelernt, als sie sich mit einem kaputten Kompressor herumschlugen. Für einen armen Mann war das eine sehr ernste Sache, da er ohne Kompressor nicht tauchen konnte. Im Grunde genommen war es ein harmloser Fehler, den Morgan im Nu behoben hatte.
    Von diesem Augenblick an gehörten wir dazu, und das will bei Türken schon etwas heißen. Als Morgan einen ganzen Tag damit zubrachte, die alte Dieselmaschine ihres Bootes, der ›Seytan‹ zu überholen, stiegen wir noch mehr in ihrer Achtung. Für Morgans Selbstbewußtsein war das ungeheuer wichtig.
    Ciasim streckte im Zeitlupentempo die Hand aus, berührte das leere Netz an meinem Gürtel und deutete dann einladend auf die Schwämme, die ringsum wuchsen. Es bedurfte keiner weiteren Frage, es waren wirklich die besten, die ich bisher gesehen hatte. Rasch füllte ich mein Netz.
    Er selbst war fertig zum Auftauchen. Er deutete nach oben und zog dann viermal an seiner Leine: das Zeichen der Taucher für Heraufholen.
    Ich tauchte viel rascher auf als er. Ich brauchte keinen Druckausgleich, weil ich mich nicht sehr lange in dieser Tiefe aufgehalten hatte. Bei Ciasim war es vermutlich anders. Aber wahrscheinlich würde er auch dann, wenn es nötig war, nicht die erforderlichen Dekompressionszeiten einhalten. Die meisten Schwammtaucher behandelten das ganze Drum und Dran moderner Tauchtabellen und Dekompressionszeiten mit derselben gutmütigen Verachtung, die sie auch modernen Tauchgeräten entgegenbrachten. Sie hatten ihre eigene Medizin für Taucherkrankheit und kleine Wehwehchen, die nach dem Tauchen auftraten: der Betreffende wurde bis an den Hals in warmen

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