Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
hinter den Kopf, stellte das eine Knie auf und bot einen verwirrend erotischen Anblick. Eine seltsame Traurigkeit und der beinahe schon perverse Wunsch, sie in die Wirklichkeit zurückzurütteln, erfüllte mich.
    »Träume sind gut und schön«, sagte ich, »aber die Gegenwart ist anders. In meiner Aqualunge habe ich vielleicht noch Luft für fünf Minuten und im Tank Treibstoff für höchstens fünfzig Meilen. Also brauche ich die Menschen. Menschen mit Geld, damit ich so leben kann, wie ich es mir nun einmal angewöhnt habe.«
    Ihr Kopf fuhr mit einem Ruck herum, und ihre Stimme klang eiskalt. »Was für ein Quatsch! Jack Savage, der skrupellose Abenteurer, der gewissenlose Söldner. Ein Mann, der alles tut, solange der Preis stimmt.«
    »Ziemlich gut getroffen, das laß ich mir auf die Visitenkarte drucken.«
    Aber sie lächelte nicht. »Wenn es dir ums Geld geht, hättest du gestern abend dreißigtausend Dollar verdienen können, du hast abgelehnt.«
    »Ein Hollywood-Abenteuer«, sagte ich. »Einmal bin ich davongekommen, und das war schon fast zuviel. Außerdem lebe ich gern.«
    Das war eine alberne Bemerkung. Sie zuckte zusammen und sagte verbittert: »Tun wir das nicht alle?«
    Zum erstenmal ahnte ich, wie es tief in ihrem Innern aussehen mußte. Wir schwiegen verlegen, weil keinem von uns etwas einfiel. Dann goß ich mir eine zweite Tasse Kaffee ein und sagte leichthin: »Du hast mir noch nie etwas von deiner Familie erzählt. Hast du nicht zwei Brüder?«
    »Phil und Roderick, sie studieren in Eton.« »Und deine Eltern?«
    »Meine Mutter ist vor einiger Zeit gestorben. Vater hat sich vor zwei Jahren wieder verheiratet. Er ist ein netter Mensch und seine Frau auch, aber zwei Frauen im Haus, das geht nie gut.«
    »Auch dann nicht, wenn man fünfzig oder sechzig Zimmer zur Verfügung hat?« fragte ich. »Du hast mir gestern abend erzählt, daß dein Lieblingsonkel dir einen Haufen Geld hinterlassen hat, aber deinen Vater nicht mochte. Warum eigentlich nicht?«
    »Ganz einfach«, antwortete sie, »sie waren Zwillinge, und mein Vater hat den guten Onkel Gavin mit einem Vorsprung von genau elfeinhalb Minuten um den Besitz gebracht. Das hat der arme alte Gavin ihm niemals verziehen.«
    Jetzt fiel mir der Name wieder ein: Generalmajor Earl of Hambray. »Er war in Frankreich mein Kommandeur«, sagte ich. »Dein Vater, meine ich. Er wird mich bestimmt nicht kennen, ich war damals Sergeant.«
    »Zum Teufel mit deinem kindischen Stolz«, sagte sie und lehnte sich an mich. »Er wird dir sicher gefallen, Savage, und ich bin sicher, daß er auch dich mögen wird.«
    »Und wann soll dieses Kennenlernen stattfinden?«
    »Wenn du ihn um meine Hand bittest«, sagte sie ganz gelassen. »Das ist eine alte Familientradition.«
    »Ich weiß, du hast's mir gesagt: siebenhundert Jahre alt.«
    »Ich möchte, daß alles seine Ordnung hat«, sagte sie leichthin. »Hat nicht jedes Mädchen ein Recht darauf, wenn es heiratet?«
    Mein Herz klopfte so laut, daß ich es hören konnte. Ich schluckte hart und sagte mit nicht ganz sicherer Stimme: »Ich weiß nicht recht, mein Engel, aber wenn du mich wirklich haben willst, dann ist mir alles recht.«
    Sie kuschelte sich in meine Arme, und ich hielt sie fest. Ich wiegte sie behutsam wie ein kleines Kind, und eine leichte, kühle Brise kräuselte das Meer, während ich blind hinaus zum Horizont starrte.
    Als wir gegen Mittag auf Kyros zuhielten, überließ ich Sarah das Steuer.
    Der Morgen war herrlich gewesen. Wir hatten die Insel erforscht, waren Schwimmen gegangen und hatten miteinander geredet, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben mit einem Menschen geredet hatte.
    Aber alles hat einmal ein Ende, und irgendwann mußten wir uns wieder auf Kyros blicken lassen. Sie wollte unbedingt, daß ich mit ihr nach England zurückkehrte, und in diesem Fall mußte ich mit Aleko sprechen und verschiedene Vorbereitungen treffen. Es gab wieder Verantwortungen in meinem Leben. Von nun an drehte sich alles um Sarah.
    Sie rief mich hinauf und sagte ganz ruhig: »Da gibt uns jemand Zeichen, und mir kommt das alles Griechisch vor.«
    Ich trat rasch neben sie. Wir befanden uns etwa eine halbe Meile südlich von Sinos, und in dreihundert Meter Entfernung sah ich Steuerbord voraus Ciasims ›Seytan‹ liegen. Ich griff nach dem Glas. Yassi sprang herum und winkte mir mit einem roten Stoffetzen entgegen. Abu stand neben dem Kompressor, und da Schlauch und Leine im Wasser verschwanden, schien Ciasim bereits an dem

Weitere Kostenlose Bücher