Die Nacht von Sinos
wichtig.«
Sarahs Gesicht war aschfahl. »Und du?«
»Ich werde nicht so lange unten bleiben, daß ich mir um den Druckausgleich Sorgen machen muß, falls ich heraufkomme.«
Es war ein Versprecher.
Sie holte tief Luft und sagte mit rauher, harter Stimme: »Wie lange kannst du es schaffen?«
»Mit dem schweren Gewicht bin ich in wenigen Sekunden unten. Wenn ich eine Chance haben will, wieder an die Oberfläche zu kommen, bleibt mir unten höchstens eine Minute.«
Das war wenigstens aufrichtig. Sie akzeptierte es mit ihrer besonderen Art von Fatalismus. Sie sagte nur: »Hoffentlich hast du Zeit, auf die Uhr zu sehen.«
»Dabei könntest du mir helfen, falls ich es vergesse.«
Sie folgte mir ins Ruderhaus. Ich drückte auf den Knopf, der
die Geheimklappe unter dem Kartentisch öffnete. Dann reichte ich ihr die Walther Automatic.
»Genau eine Minute, nachdem ich über Bord gehe, schießt du zweimal ins Wasser.«
»Und was soll das?«
»Das ist ein alter Trick von Cousteau. Man spürt die Druckwellen noch sehr deutlich. Aber vergiß nicht den Sicherungshebel«, fügte ich, in einem matten Versuch zu scherzen, hinzu.
Ihre Antwort war wieder typisch. »Der Teufel soll dich holen, Savage, ich werde dir nie verzeihen, wenn du mir stirbst.«
Darauf gab es nun wirklich nichts zu sagen. Ich kletterte hinüber auf die ›Seytan‹, zog die Schwimmflossen an und setzte die Nasenklemme auf. Ich trug die Taucherbrille mit Maske, damit sie mir bei dem raschen Abstieg nicht weggerissen wurde. Abu hatte die neue Leine fertig aufgerollt. An ihrem Ende war ein Karabinerhaken, den ich an meinem Gürtel befestigte. Yassi schleppte den Sandanker herüber. Er hatte etwa eineinhalb Meter Manilaseil daran befestigt und das Ende zu einer offenen Schlinge geformt.
Ich merkte, daß Sarah hinter ihm stand, in der einen Hand die Uhr, in der anderen die Walther. Dann hob ich den Anker mit beiden Händen auf. Ich balancierte am obersten Ende der Leiter, pumpte mit drei tiefen Atemzügen meine Lungen voll Luft, beugte mich dann einfach vor und ließ mich von dem schweren Stein in die Tiefe ziehen.
Der Druck erhöht sich alle zehn Meter um eine Atmosphäre. Seltsam, daß mir gerade das durch den Kopf schoß, während ich in die grüne Dunkelheit hinabstürzte. Es war wirklich so etwas wie ein Absturz.
Ich stieß durch einen Riesenschwarm silbrig glänzender Fische hindurch und glaubte plötzlich, der Mast, der mir entgegenragte, wolle mich aufspießen. Ich ließ die Leine los, und der Stein verschwand mittschiffs im dunklen Schlund des Granatenkraters.
Ich hielt mich an der Decksreling fest, dann schwamm ich hinüber zu dem Haufen verbogener Eisen, der seitlich am Schiff herabhing.
Ich glaubte, überhaupt nicht voranzukommen, aber dann hatte ich Ciasim wie durch ein Wunder plötzlich unter mir. Ich hielt mich an ihm fest. Er lebte noch, und ich sah sein traurigesGesicht. Als er mich berührte, spürte ich ein seltsames elektrisches Kitzeln am ganzen Körper, gleich darauf noch einmal. Das waren die Schockwellen der beiden Schüsse, die Sarah ins Wasser abgefeuert hatte.
War ich also zu spät dran? Für mich vielleicht, aber nicht für Ciasim. Ich befestigte den Karabinerhaken der frischen Leine an seinem Taucheranzug, riß das Messer heraus und schnitt die alten Verbindungen durch. Er wußte, was zu geschehen hatte, hob den Daumen, zog viermal an der Signalleine und begann aufzutauchen, während aus dem abgeschnittenen Ende des Luftschlauchs silberne Blasen aufstiegen.
Das alles lief zeitlupenartig langsam ab wie in einem bösen Traum, und ich folgte ihm mit rhythmischen Schwimmbewegungen, obwohl ich wußte, daß es keinen Zweck mehr hatte.
Dann geschah etwas ganz Seltsames. Ich hörte in meinem Kopf mit überraschender Klarheit Sarah Hamiltons Stimme: ›Der Teufel soll dich holen, Savage, ich werde dir nie verzeihen, wenn du mir stirbst.‹ Schon lange nicht hatte ein Mensch mich so sehr gebraucht.
An diesen Gedanken klammerte ich mich fest und kämpfte mit aller Kraft. Mein Blick ließ die kleine puppenhafte Gestalt nicht los, die weit, weit über mir schwebte. Dann entfernte er sich immer mehr von mir, und alles wirkte wie durch ein verkehrt gehaltenes Teleskop gesehen. Er verschwand aus meinem Blickfeld, und ich schwebte körperlos in der warmen Finsternis.
11
Sehr, sehr langsam schwebte ich durch das Dunkel hinauf ans Licht und atmete wieder. Ihr Parfüm stach mir in die Nase.
Ich lag flach auf dem Rücken in meiner
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