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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Koje und überlegte, wer ich wohl sei. Ich war schon einmal hiergewesen, aber meine Gedanken drehten sich seltsam im Kreis. Wann war das? Damals oder jetzt? Die Zeit wurde zu einer Spirale ohne Ende. Aber dieses verdammte Parfüm. Ich machte eine unruhige Bewegung, und dann war sie da. Ihr goldenes Haar streifte über mein Gesicht. Sie trug ein blaues Baumwollkleid mit einem geraden Ausschnitt. Er klaffte verlockend weit, als sie sich über mich beugte, und ich schob meine Hand hinein.
    »Dieser Versuchung kann kein Mensch widerstehen«, sagte ich.
    Es war die Stimme eines Fremden, die in meinem Kopf widerhallte. Sie zwang sich zu einem matten Lächeln. »Ach, du elender Kerl, du darfst mich nie wieder so ängstigen.«
    Sie machte kehrt und ging rasch hinaus.
    Da lag ich nun und sah den fahlen Sonnenschein durch das Bullauge hereinsickern. Ich lebte noch und fand mich ohne besondere Überraschung mit dieser Tatsache ab.
    Nach einer Weile ging die Tür auf, und der Dorfarzt trat ein. Er hieß Karakos und war ein netter kleiner Herr mit Ziegenbart und runder Stahlbrille. Vor ein paar Wochen hatte ich mir von ihm einen Riß im Oberschenkel nähen lassen.
    Er stellte seine große Tasche auf den Boden und fühlte meinen Puls. »Gut, sehr gut.« Er nickte.
    »Wie lange war ich ohnmächtig?«
    »Über vier Stunden.«
    »Ich hab' eigentlich nicht mehr erwartet, wieder aufzuwachen.«
    »Ohne Lady Hamilton wären Sie das auch nicht. Als Sie auftauchten, hatte Ihr Atem schon ausgesetzt. Die Türken holten Sie aus dem Wasser, und sie begann sofort mit der Mund-zu-Mund-Beatmung.«
    Dann war ich also praktisch schon tot, und sie hatte mich ins Leben zurückgeholt. Ein bedrückender Gedanke.
    »Was ist mit Ciasim Divaini?«
    »Mit dem Türken?« Da war sie wieder, diese uralte Feindschaft, die sich offenbar durch nichts auslöschen ließ. »Ich habe ihn nach drei Stunden aus Ihrer Dekompressionskammer herausgelassen. Er ist so munter wie zuvor.«
    »Und ich?«
    Er zog ein Fläschchen mit Pillen aus der Tasche und stellte es neben mich. »Sie werden die Nachwirkungen zweifellos für ein bis zwei Tage spüren. Starke Kopfschmerzen und Übelkeit. Für einen Mann Ihres Alters war die Anstrengung unerträglich.« Für diese Bemerkung hätte ich ihn umarmen können. »Diese Pillen helfen Ihnen gegen die Schmerzen. Bleiben Sie zwei Tage lang flach liegen, und keinen Alkohol.«
    »Was schulde ich Ihnen?«
    »Nichts. Mr. Aleko hat mich rufen lassen. Er bestand darauf, daß meine Rechnung an ihn persönlich geht.«
    Er verließ die Kabine, ohne die Tür zu schließen. Ich machte die Augen zu. Als ich sie wieder öffnete, stand Sarah neben mir. Ich lächelte. »Es war ein lebenspendender Kuß, wie der Mann mir eben sagte.«
    Sie schüttelte sich. »Du hast gar nicht mehr geatmet, wie du heraufkamst. Es war wirklich entsetzlich. Zuerst hast du nicht reagiert ...«
    Sie bebte am ganzen Körper. Ich nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Schön, lassen wir das jetzt. Wie geht es Ciasim?«
    »Gut, wir haben ihn genau nach deinen Anweisungen aus der Kammer geholt. Nach der ersten Stunde wollte er ausbrechen. Ich mußte sehr energisch werden.«
    »Und wie sind wir zurückgekommen?«
    »Nach Kyros?« Sie lächelte. »Ich hab' dein Schiff gefahren, und Yassi und Abu folgten in der ›Seytan‹. Ich fürchte, an der Mole habe ich etwas Farbe abgekratzt.«
    »Mein Engel, du darfst ankratzen, soviel du willst«, sagte ich.
    Ein paar Minuten lang verharrten wir eng umschlungen, dann machte sie sich frei und sagte: »Dimitri wartete schon an der Mole. Er hatte uns natürlich kommen sehen, und zehn Minuten später war der Arzt hier.«
    »Ja, wenn man ein Multimillionär ist.«
    Sie runzelte die Stirn und fuhr mir durchs Haar. »Versuch doch, ihn zu mögen, Savage. Um meinetwillen. Das macht alles viel leichter.«
    »Weshalb?«
    In ihren Augen blitzte es, und es drohte eine Explosion. Aber Morgan rettete mich. Er tauchte zögernd in der Tür auf und drehte die Mütze in den Händen. Er war wieder unrasiert, seine Augen hatten eine gelbe Farbe, und ich roch seine unangenehme Alkoholfahne. Er stand wartend da, unsicher wie ein Hund, der ein freundliches Wort von seinem Herrn erwartet.
    »Na, wie geht's, Morg?« fragte ich.
    Er schlurfte näher. »Teufel, Jack, du hast uns Kummer gemacht. Ich hab' schon gedacht, es ist aus.«
    »Du weißt doch, Morg, daß ich genauso unverwüstlich bin wie du.«
    Ich boxte ihn gegen die Schulter, und er krümmte sich vor Freude.

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