Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
verschaffen.
Das Dorf hatte sich wenig verändert. Sie fuhren an der Kirche San Ermete vorbei zur Piazza Garibaldi, dann weiter zur Piazza Marconi. Auch hier keine Spur von der Straßenbahn, nur große Pfützen, in denen die Gleise rosteten. Schließlich nahmen sie die Straße zum Meer. Sein Herz klopfte heftig, und er ließ den Wagen im Schritttempo an der Pensione Moderna vorbeifahren. Anzuhalten wagte er nicht.
Die Läden waren geschlossen, der Hof ausgeräumt und kahl. Die Pension wirkte verlassen. Von den Weinranken waren nur vertrocknete Äste geblieben, und auch der Gewürzgarten schien verwildert.
Der Strand bot das gleiche Bild. Geschlossene, verfallende Strandanlagen, mit Brettern zugenagelte Fenster, hochgezogener Windschutz an den Zäunen. Der Sand war mit Seetang bedeckt, mit Treibholz und allerlei Strandgut. Der Steg der Verladestation lag leer und einsam in der Brandung. Selbst die Kräne und Seilzüge waren abgebaut worden. Von Marmorblöcken keine Spur.
In einer Hütte war ein Militärposten untergebracht. Dort stand ein einzelner italienischer Soldat und starrte durch sein Fernglas. Vielleicht suchte er den Horizont nach feindlichen Schiffen ab oder nach den eigenen, die irgendwo dort draußen kreuzten, sich schon in Sardinien oder Sizilien den Alliierten überstellt hatten oder von den Deutschen versenkt worden waren.
Während seine Begleiter im Wagen warteten, ging Maximilian ein paar Schritte. Er bestieg den Steg, und seine Stiefel hallten dumpf auf den faulenden Bohlen. Der Nordwestwind schlug ihm ins Gesicht, und er musste seine Schirmmütze festhalten. Weit draußen drehte er sich um, starrte auf den Strand, auf die weißen Berge, die so nahe schienen, als bräuchte es nur eine Bewegung des Armes, um sie zu berühren.
Er dachte an den Sommer zurück, den er hier verbracht hatte, an den Herbst, der sich jetzt unmittelbar anzuschließen schien, obwohl eine so große Lücke klaffte. Erst heute, erst hier auf dem Anlegesteg meinte er, die Zeit mit ihrem ganzen Gewicht zu spüren.
Und für einen Augenblick wünschte er sich, er wäre nie fort gewesen, er könnte die Jahre auslöschen, die ihn von jenem Sommer trennten, achtzehn ewige Jahre, die sich plötzlich so fremd anfühlten, als habe er sie dort hinter den Bergen zurückgelassen.
Sie fuhren den Litorale am Meer entlang zurück, eine breite, von niedrigen Büschen gesäumte Straße, die nur wenige Meter vom Strand entfernt verlief und stets drohte, von einer winterlichen libecciata unterspült zu werden, einem Südweststurm, der die Wellen weit die Küste hinauftrieb. Auf der Höhe des kleinen Flughafens bogen sie ab und erreichten die tiefer im Landesinnern verlaufende Staatsstraße 1.
Sie waren auf dem Weg nach Monteforte, und Maximilian fühlte sich erschöpft vom langen Tag, der stundenlangen Fahrerei, den endlosen unergiebigen Gesprächen. Zu viel war auf ihn eingedrungen. In der klaren und durchsichtigen Luft des frühen Herbsttages schien jedes Geräusch lauter, jeder Geruch durchdringender, jedes Bild so wirklich, dass es in den Augen schmerzte.
Vielleicht war er eingenickt, denn als der Wagen schlagartig zum Stehen kam, wusste er im ersten Augenblick nicht, wo er sich befand. Etwas wurde gebrüllt, jemand stieß ihn, riss ihn mit sich ein paar Meter über den Acker in einen feuchten Graben. Dann war nur noch das sich schnell nähernde Kreischen der Motoren, die dumpfen Salven der Luftabwehrgeschütze zu hören. Mehrere Explosionen folgten, so heftig, dass der Boden unter ihm zu tanzen schien. Schlagartig kehrte Ruhe ein.
Insgesamt waren kaum zwei Minuten vergangen, und als sie sicher waren, dass die Flugzeuge nicht zurückkämen, erhoben sie sich. Über dem nahen Fluss standen Rauch- und Staubwolken, und als sie sich verzogen hatten, schälte sich eine Eisenbahnbrücke aus dem Dunst. Sie war unversehrt. Auch die Posten, die sie bewachten, waren wieder auf den Beinen, und Maximilian erfuhr, dass die eiserne Konstruktion schon mehrmals Ziel alliierter Bomber gewesen sei. Wie durch ein Wunder war sie nie ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden.
Sie gingen zu ihrem Wagen zurück. Die ersten Fahrzeuge fuhren an, der Verkehr begann wieder zu rollen. Maximilian wischte sich die nasse Erde aus dem Gesicht. Sie stank, wie sie schon immer gestunken hatte.
2 . Kapitel
Laura wartete bis Weihnachten, bis Januar, bis Anfang Februar.
Doch im gleichen Tempo, wie ihr Bauch wuchs, sich unter ihren Röcken und Schürzen
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